Jaja, ich weiß, manche/r hätte gern mehr Fotos aus Shanghai und von unterwegs gesehen ... insgesamt sind in den vergangenen dreieinhalb Jahren ca. 45.000 Stück entstanden. Aber das hat man eben nur zum Teil meiner Faulheit zu verdanken - zu einem mindestens genau so großen Teil der chinesischen Regierung mit ihrer "great firewall". Hoch lebe das freie Internet!


Wer weiterhin meine Bemerkungen über Gott und die Welt lesen möchte, klickt bitte hier:
Das neue Jahr des Schweins

Wenn ich es schaffe, gibt es hier übrigens auch noch Updates, und zwar aus den bisher unveröffentlichten Reisetagebuchnotizen.

Freitag, 30. April 2010

Ausnahmezustand

Jetzt ist hier wirklich der Ausnahmezustand angebrochen. Seit gestern Abend haengt eine lange Liste von Verhaltensregeln in der Lobby aus. "Go out as less as possible" (sic), keine Waesche draussen trocknen, keine Banner aus dem Fenster haengen, keine Flugobjekte welcher Art auch immer aufsteigen lassen, den Polizisten, die aus allen Loechern gekrochen sind und die Strassen merklich bevoelkern, unbedingt Folge leisten. Und noch ein paar Sachen mehr, die ich jetzt schon wieder vergessen habe. Dass heute in Shanghai ein Feiertag ist, ist wohl auch weniger ein Akt der Menschenfreundlichkeit als vielmehr ein Kompromiss im Tausch gegen wirklich oder vermeintlich erhoehte Sicherheit: der Faehrverkehr ist eingestellt, und auf dem Fluss sind heute nur Fahrzeuge mit Spezialaufgaben zugelassen. Ich habe den ganzen Tag ueber nur eine Handvoll gesehen - am Morgen ein paar Ausflugsboote, sicher fuer irgendwelche Gastdelegationen oder sonst welche VIP, und eben ein einzelnes Boot, das zu einem mir unbekannten Zweck unterwegs war. Den ganzen Huangpu herauf und hinunter kein einziges Boot - das habe ich noch nie gesehen!

In Lujiazui sind groessere Bereiche bereits seit gestern Nachmittag drei Uhr gesperrt, und die Sperrungen weiten sich jetzt aus. Wir haben gerade nach meiner Kalligraphiestunde einen kleinen Spaziergang zu dem Teil der Uferpromenade hinter dem Leuchttuermchen gemacht - sieht nett aus. Die beiden Restaurants, eins im Leuchtturm und eins ein Stueck weiter flussaufwaerts, bereiteten sich schon sichtlich auf einen Abendansturm vor. Es wurde draussen gedeckt - das Wetter ist zwar gut, ich denke aber doch, dass es am Abend eher ziemlich frisch werden wird. Aber was macht man nicht alles fuer das grosse Eroeffnungsfeuerwerk - mal sehen, ob wir "ein paar Augen voll" davon erhaschen koennen. Wir gehen auch gleich essen, im Binjiang One, ein Wunder, dass ich da noch einen Tisch bekommen habe! Im 100 Century Avenue oben im SWFC war schon alles ausgebucht - schade eigentlich, denn heute sind wir mit fuenf Kollegen aus Deutschland unterwegs!

Dienstag, 27. April 2010

Ein wirklich wunderbarer Ausflug

Am Samstagmorgen war der Blick aus dem Bett auf den Fluss ganz untypisch (fuer ein Wochenende, meine ich): wunderbar blauer Himmel, sogar der Fluss ein bisschen blaeulich angehaucht (bilde ich mir jedenfalls jetzt ein, wenn ich hier schreibe), und alles von strahlender Sonne beschienen: das faengt ja gut an. Zwar darf man solchen Wetterlagen in Shanghai nicht unbedingt trauen, aber als es am spaeten Vormittag immer noch schoen war, haben wir uns zum Garten des Gluecks und langen Lebens aufgemacht, auf Chinesisch 福寿园, sprich fúshòuyuán. Ein etwas beschoenigender Name allerdings ... Auf ihrer Website (sogar auf Englisch!!) behaupten die Betreiber, dass es Chinas schoenster Friedhof sei. Zwar kann ich das nicht beurteilen, halte es aber auch nicht fuer ausgeschlossen. Es handelt sich um ein ziemlich riesiges Friedhofsareal, das bei der Stadt Qingpu "vor den Toren" von Shanghai gelegen ist, nicht weit vom SheShan, auf den wir bei der Rueckfahrt einen wunderbaren Blick hatten. Aber wer spricht von Rueckfahrt!

Als wir ankamen, glaubten wir noch, wir wuerden vielleicht zwei Stunden bleiben. Aber das Areal ist gross, es gibt viel zu sehen, und in diesem ganz speziellen Park gibt es, anders als in vielen anderen chinesischen Parks, richtige Parkbaenke, auf denen ich sozusagen die Sonne bescheinen konnte ("wo shai taiyang" - "ich scheinen Sonne", so denke ich jedenfalls immer, aber "shai" heisst eben trotz dieser phonetischen Koinzidenz nicht bescheinen, sondern beschienen werden). Oder halt: vielleicht gibt es in anderen Parks auch Baenke, aber ich nehme sie nicht so wahr, weil immer alle besetzt sind.  ;-))

Im Eingangsbereich gibt es einen kleinen Laden, eine Wand, an der die ganzen "Model Unit"-Schilder udglm. angebracht sind, die die Betreiber - man muss schon sagen: - angehaeuft haben, Informationsraeume und noch andere praktische Einrichtungen, deren Bedeutung sich mir aber nicht spontan erschliesst. Man geht erst auf einen grossen Klotz zu, der ein bisschen unfreundlich aussieht. Wenn er etwas schlanker waere, koennte er mich an diese KZ-Aufsichtstuerme erinnern - aber er ist eben nicht schlank. Eigentlich sollte er auch golden strahlen, denn die fensterlosen Waende bestehen aus goldbronzefarben glasierten Ziegeln - aber irgendwie funktioniert das nicht, sie wirken eher graeulich. Bevor man den "Klotz" erreicht - es handelt sich um ein Kolumbarium - passiert man die FuShouTang, eine Art Tempelhalle mit einem riesigen roten Holzfisch, eher kitschig aussehenden, matt-bronzefarbenen Buddhas und Arhats, und "Tempelmusik" vom Band. Dann betritt man das Foyer des Klotzes, in dem Ausstellungstafeln wohl an beruehmtere Persoenlichkeiten erinnern, die hier ihre letzte Ruhestaette gefunden haben. Aber das Gebaeude ist auch fuer weniger beruehmte Leute: auf 9 oder 10 Etagen werden die Urnen in langen Regalreihen aufbewahrt - so erscheint es jedenfalls, wenn man ins erste Obergeschoss hinauflugt. Wir sind nicht hinaufgefahren.

Draussen ist die riesige Flaeche in verschiedene "Gaerten" unterteilt, die alle einen eigenen Namen haben, der auch in Pinyin angeschrieben steht. In Frakturbuchstaben! Das kann bestimmt kein Chinese entziffern - braucht er natuerlich auch nicht, denn der kann ja gleich die chinesischen Zeichen lesen. - Innerhalb der einzelnen Bereiche sind die Graeber mehr oder weniger einheitlich gestaltet. Meist sind es Graeber fuer Paare. Wenn einer oder beide noch leben, fuellt ueblicherweise ein Keramikmedaillon mit dem Zeichen "shou" fuer Langlebigkeit den Platz, der anderenfalls von einem ebensolchen Keramikmedaillon mit einem Foto des oder der Verstorbenen eingenommen wird. Wie in vielen anderen Laendern sind die Graeber uebrigens weitgehend aus Stein und ueblicherweise nicht gaertnerisch gestaltet. Hier trennen aber Pflanzen die einzelnen Graeber und die Reihen, so dass man sich keinesfalls wie in einer Steinwueste vorkommt. Ich aergere mich ueber die Pietaetlosigkeit, dass auf einem Grab zwei Zigarettenkippen liegen - aber da bin ich auf dem Holzweg, denn bald darauf sehen wir eine Frau an einem Grab hocken, auf dem gerade zwei Zigaretten brennen - da hat sie ihrem verstorbenen Gatten wohl mal etwas zu rauchen vorbeigebracht und haelt jetzt vielleicht Zwiesprache mit ihm. Was ich noch zu sagen haette, dauert eine Zigarette ... oder eben auch zwei.

Oft (ueberdurchschnittlich oft, scheint mir ...) ist dann auch schon ein ai'er oder eine ai'nü, also ein geliebter Sohn oder eine geliebte Tochter, in der Grabstaette untergebracht. Ueberhaupt sieht man jede Menge Grabinschriften von Leuten, die deutlich juenger gestorben sind als wir. Ist das ein Ausdruck der schlechten Umweltbedingungen, des rohen Lebens ohne doppelten Boden oder des wenig erfolgreichen Gesundheitswesens? Das erschliesst sich mir allerdings nicht.

Samstag, 24. April 2010

Drei Chinesen

Jaja, frueher war alles besser: Da hatten die drei Chinesen noch ein richtiges Musikinstrument, einen Kontrabass. Aber die Zeiten sind vorbei. Eigentlich ist es hier ja nichts Besonderes, drei Chinesen zu sehen, und eigentlich waren es auch vier: drei Herren und eine Dame. Aber ausnahmsweise zaehlt die mal nicht. Die gingen so auffaellig in einer Front ueber die Strasse, dass mir gleich das alte Kinderlied mit dem wohl ziemlich unsinnigen Text in den Ohren klang, den es aus aktuellem Anlass aber leicht abzuwandeln galt: Dra Chanasan mat dan Star-bucks-mugs.

Dienstag, 20. April 2010

Wohin mit dem ganzen Geld???

Neulich waren wir nicht nur auf dem Mond (wer jetzt nur Bahnhof versteht, liegt auch nicht ganz falsch*), sondern auch im Jing'an-Tempel. Als ich zuletzt dagewesen war, hatte ich mich ueber den Betonbunker im Innenhof gewundert ... und jetzt steht da ein grosser, hoher, massiver Tempelneubau, dessen Haupthalle mittlerweile fertig ist. Der "Bunker" ist bloss die Bodenplatte fuer diese maechtige Halle; er bildet jetzt das Untergeschoss. Darin sitzen diverse Arhats und ein Maitreya (dick und haeppi ;-)) ); ein grosser Holzfisch (muyu, sprich: mu-üh) und eine absolut ueberdimensionale Klangschale stehen bereit, um im Falle einer Zeremonie fuer den rechten Klang zu sorgen, und an den Waenden haengen laminierte Buddha-Poster. In den Seitenhallen des Tempels befinden sich links ein Jadebuddha, der auch im Sitzen zwei Etagen einnimmt, und rechts eine hoelzerne GuanYin mit elegant fallendem Wolkengewand, die ein wenig kleiner ist. Wenn man das Obergeschoss dieser Halle betritt, blickt man doch deutlich auf sie hinunter, waehrend der Buddha einem fast auf Augenhoehe gegenueber sitzt, mit zur Meditation halb geschlossenen schwarzen Augen vor sich hin blickt, ohne zu sehen, und mit seinen rot gefaerbten Lippen unergruendlich halb laechelt. Die weisse Jadehaut kontrastiert mit seiner schwarzen Haartracht, er traegt ein goldenes, edelsteinbesetztes Stirnband.

Am bemerkenswertesten (hmm - klingt komisch, irgendwie nach Allerwertestem ... Gruss aus Kalau) ist natuerlich die grosse neue hoelzerne Haupthalle. Ueber zwei relativ steile Treppen kann man zu ihr aufsteigen, insgesamt bietet diese Halle auf ihrem Sockel einen ziemlich majestaetischen Anblick - made to impress, zum Eindruck Schinden, scheint mir. Wenn ich hoelzern sage, meine ich hoelzern - vom Betonfundament abgesehen gibt es da nichts Steinernes, soweit ich das ueberblicken konnte. Das Hallendach wird von massiven Saeulen getragen - ob das auch Prachtexemplare aus Nanmu (Linkinhalte englisch) sind? Das waere diese beruehmte Holzart, die z.B. auch beim Ausbau der kaiserlichen Sommerresidenz in Chengde buchstaeblich zum Tragen kam. Und die bestimmt auch heute kein bisschen billig ist, bei den ganzen hervorragenden Eigenschaften, die sie aufzuweisen hat. Aber nicht genug mit den edlen Holzsaeulen, auch sonst hat man keine Kosten und Muehen gescheut, so wie das aussieht. Die Bauweise ist traditionell, mit einer komplizierten Dachkonstruktion und sicher ganz ohne Metall, und in den Waenden sind aufwaendige (oder muss es in diesem Fall "inwaendige" heissen? noch mehr Gruesse von ebd.) Schnitzrondelle von mindestens einem Meter Durchmesser eingelassen. Das Holz ist nicht gestrichen, sondern nur lackiert (oder gar nur poliert, wer weiss das schon). Auf einem Sockel inmitten der Halle thront ein silberner Buddha (Buddha ist gross, Buddha ist maechtig, Buddha hat eine Hoehe von sechs Metern sechzig) [Herrje! Heute hab' ich aber wirklich einen Kalaueranfall! 'tschuldigung, manchmal muss man eben auch ein bisschen albern sein koennen.] auf einer ebenfalls silbernen Lotusbluete, die zwei Meter zwanzig hoch ist, was zusammen nach Adam Riese eine glueckverheissende Hoehe von 8,8 Metern ergibt. Sowas habe ich noch nie gesehen! Einen silbernen Buddha! Das hat schon was, der mondfarbene Silberglanz in der rotbraunen Holzumgebung. Sehr edel. Etwas ganz Besonderes!

Vor dem Tempel wird noch gearbeitet, in diesem Fall an Vergoldungen von grossen stupaaehnlichen Objekten. Dafuer braucht man ganz schoen viel Gold, und schon fliegen jede Menge Blattgoldfetzen am Boden und in den Regenrinnen herum - ob man sich reich sammeln kann? Es sieht jedenfalls so aus, als verspuere die Tempelverwaltung das Beduerfnis, ihren Reichtum noch etwas sichtbarer zu machen: so ein silberner Buddha ist natuerlich, was Reichtumsdemonstration betrifft, definitiv nur zweite Wahl. Und der Jing'An-Tempel duerfte sehr, sehr reich sein - alles vom Feinsten und Groessten. Da muss man sich schon fragen, wohin mit dem ganzen Geld - und die Moenche (oder wer auch immer da die Entscheidungen trifft) sind genuegend kreativ.

Uebrigens war an diesem Tag wohl ein besonderer Anlass, denn der Eintritt (normalerweise mit 30 Yuan pro Nase extrem teuer fuer einen Tempel, kein Wunder ...!!) war ausnahmsweise frei. Es war auch ganz schoen voll, und auf mehreren Tischen wurden offenbar buddhistische Schriften zur kostenlosen Mitnahme angeboten. Leider alle auf Chinesisch, eine immerhin auf Chinesisch mit Pinyin - wenn irgendetwas Englisches dabeigewesen waere, haette ich es mir bestimmt mitgenommen. ;-)

*Aufloesung

Montag, 19. April 2010

Die gute Tat des Tages

So, nun habe ich meine fuer morgen geplante Reise nach Deutschland abgesagt. Bin gespannt, wann die Auslaeufer der Aschewolke vom Eyjafjalla-Gletschervulkan Asien erreichen ... denn die geplante Reise nach Singapur in der ersten Maiwoche steht weiterhin auf dem Programm. - Ich habe heute mit einigen asiatischen Kollegen gesprochen, die nun alle in Deutschland festsitzen, -stehen, -liegen: die Begeisterung war nicht sehr gross, zumal die Ungewissheit, wann es denn nach Hause gehen kann, gross ist. Ausserdem sagte mir jemand, der Manager von Lufthansa Hong Kong habe zu berichten gewusst, dass allein in Hong Kong allein 2000 Lufthansa-Passagiere gestrandet seien - au weia.

Diesmal haette ich auch noch mit KLM ueber Amsterdam fliegen sollen - was tut man nicht, um Geld zu sparen. Das ist ja noch schlimmer als ueber Frankfurt, denn von Frankfurt kommt man immer irgendwie weg nach Koeln, und sei es mit ein paar Bummelzuegen - ein Grund mehr, das Wagnis lieber gar nicht erst einzugehen. Ich habe wirklich keine Lust, irgendwo zu stranden und nach einer halben Odysee anzukommen, nur um mich dann schon fast sofort wieder um den Rueckweg zu kuemmern. Und bestimmt ist - fuer den Fall, dass der Flug morgen nicht ausfaellt - irgendjemand extrem dankbar, nun doch noch meinen Platz zu bekommen. ;-)

Sonntag, 18. April 2010

Taikang-Kommerz

Gestern war das Wetter ein bisschen schoen und sogar ein bisschen warm: 19°C zeigte das Thermometer um die Mittagszeit an. Wir haben uns also aufgemacht, um nochmal in der Taikang Lu herumzustoebern. Das Viertel drumrum ist, wie fast alles hier, merklich aufgehuebscht, und es wimmelt von hippen Chinesen, normalen Chinesen und Langnasen. Die engen Gassen sind jedenfalls gut gefuellt. Diesmal finde ich auch den Laden von Deke Erh, der in jedem (wirklich!) Reisefuehrer als toller Tipp gehandelt wird. Ich weiss wirklich nicht, warum. Deke Erh (oder eigentlich Er Dong Qiang, hier ein Artikel ueber ihn) ist ein Shanghaier Fotograf, der sich unter anderem auf Architektur spezialisiert hat. Seine Buecher sind alle auf eine langnasige Zielgruppe ausgerichtet, seine Website aber wohl nicht - die ist komplett in Chinesisch. In der grossen Halle hinter dem Café haengen ganz alte und ganz frische Schwarzweissbilder von Pudong. Ganz alte: wo der Oriental Pearl TV Tower auf der (vermutlich) gruenen Wiese im Bau ist. Ganz frische: wo der Beton in das "Hakka-Rondell" des neuen Superhochhauses gegossen wird. Die sind natuerlich klasse - aber nachdem wir schon bestimmt ein halbes Dutzend anderer Fotolaeden besichtigt hatten und ja selber auch spektakulaere Bilder haben, sind diese nun auch nicht soooo ein Muss. Interessanter sind da schon die Buecher, in denen er die alte Architektur in Shanghai und anderswo dokumentiert hat. Ein Band ueber Jugendstil in Shanghai und Miami hat es mir besonders angetan.

Im Café sitzt kein Mensch, und ich finde, dass es irgendwie so riecht, als sei in der Naehe ein Klo ... da muss man also auch nicht sitzen, selbst wenn in den Regalen an den Waenden bergeweise bestimmt interessante Buecher auf Leser warten. - In den anderen Laeden gibt es Kram, Kram, nochmals Kram und ein wenig Kunst. Gefuehlt die Haelfte der Laedchen ist wohl auch gerade dabei, den Besitzer zu wechseln oder doch ein neues Gewand zu bekommen: Man blickt in mehr oder weniger fertige Baustellen. Soviel Hoffnung auf das grosse Geschaeft ... wenn das mal gut geht. Der Ni-Hao-Beo ist diesmal nicht da, schade eigentlich: so muss ich selber kraechzen, wenn ich ein lustiges Ni-i haa-ooo hoeren will. In einer der schmalen Gassen hat es wohl einen heftigen Zusammenstoss gegeben: in einer Menschentraube versucht das Auge des Gesetzes, Ruhe und Ordnung wiederherzustellen, und im Vorbeigehen sehe ich zwei Maenner leicht blutueberstroemt. Oh!

Vorher waren wir in einem der Kramlaeden, der vor allem (recht gute) Batiken und interessante Essstaebchen anzubieten hatte. Sieh mal an: da lag auch ein paar von genau der Sorte, mit der ich meine Haare hochgesteckt hatte. Das bemerkte auch die Inhaberin des Ladens rasch, und da sie ziemlich gutes Englisch sprach, waren wir alsbald im Gespraech. Ob sie wohl ein Foto von mir machen koenne, bitte? Eins von hinten und eins von der Seite ... wahrscheinlich werde ich demnaechst in dem Laden als Modell aushaengen, das eine kreative Art der Anwendung von Essstaebchen vorfuehrt, buohahaha!

Wir gehen in eins der vielen Cafés und streifen noch weiter herum, dann beschliessen wir, der DongTai Lu mit ihrem Antiquitaetenmarkt, der eigentlich eher ein Troedelmarkt ist, einen Besuch abzustatten. Vorher entdecken wir noch eine kleine Markthalle. Das Fleisch liegt offen herum, wie das hier so ueblich ist. An den Gemuesestaenden gibt es zur Zeit Zucchini mit Blueten. Die Fischstaende, an denen eine Dame dicken Froeschen an den Schenkeln herumfuehlt, sind mit den wurmwuseligen Schuesseln voller duenner, kleine Aale und anderen "Sehenswuerdigkeiten" bestimmt nicht jedermanns Ding. Ein paar Meter weiter ist der Frischgefluegelstand, an dem ausser Huehnern auch Tauben in einem ziemlich beschissenen Kaefig sitzen ... mir graut es. Das kann einfach nicht hygienisch sein. Zu allem Ueberfluss rauchen auch noch einige der Kunden! Das ist zwar wahrscheinlich verboten, aber offenbar achtet keiner auf das Verbot. Gleich neben dem Eingang zu der Markthalle haelt eine italienische Baeckerei appetitlich aussehende "Bhagwan" feil (Gruss aus Kalau). Hoffentlich ist die Backstube nicht mit der Markthalle verbunden. -

Die DongTai Lu sieht aus wie eh und je; es gibt wirklich ueberwiegend Schund. Die zahlreichen Langnasen kennen alle die Regeln fuers Handeln und sind ihrer mehr oder weniger muede: "Can you give me a serious price?", hoeren wir stossgeseufzt aus dem Munde einer wohl eher genervten Dame. Vermutlich sind in den Laeden in der zweiten Reihe ein paar richtige Stuecke zu kaufen, aber wenn man keine Ahnung hat wie wir ... Vor allem darf man echte Antiquitaeten ja sowieso nicht ausfuehren. Und irgendwie brauchen wir auch keine!

Wir machen einen Abstecher zum Vogel- und Grillenmarkt auf der Tibet Road. Der Komplex, in dem ich schon ewig nicht mehr war, hat jetzt eine echt Potemkinsche Fassade. Angeblich war das Marktgebaeude ja irgendwann einmal renoviert worden in den letzten Jahren, aber mir erscheint alles so drangvoll eng und renovierungsbeduerftig wie eh und je. Nur dass es vielleicht ein bisschen heller ist als zuvor. Die Gaenge zwischen den Buedchen sind weitgehend mit Waren zugestellt (nicht auszudenken, wenn dieses Gebaeude mal schnell evakuiert werden muss ...). Zu den Waren zaehlen endlose Reihen von Grillen und Heuschrecken in allen Groessen; es gibt schwarze und gruene, und die machen schon einen ziemlichen Laerm. Die Voegel sind auch nicht gerade still; so haben die Anbieter von Vogel-Lebendfutter mit ihren still vor sich hinwimmelnden Kisten mit Wuermern in verschiedenen Groessen und Dicken wie auch die Verkaeufer von Fischen und anderen Aquarienbewohnern (Schildkroeten, Molche, Krebse) das Vergnuegen, in Oasen relativer Stille zu sitzen.  ;-))

Mittlerweile ist es aber schon fuenf Uhr durch, und die Luft wird merklich frischer. Wir fahren ganz ohne irgendwelche Einkaeufe nach Hause.

Samstag, 17. April 2010

Die Expo wirft ihre Lichter voraus

Seit einigen Tagen (oder sind's schon Wochen?) haengen hier in den Strassenrandbaeumen in Lujiazui seltsame Glasroehren. Sieht ein bisschen aus, als wenn man Neonroehren anstelle von Christbaumkugeln in die Aeste gehaengt hat. Gestern Abend war es dann soweit. Als ich nach Hause wollte, mussten wir ampelphasenlang warten und warten. Was das denn sei? fragte ich Han Shifu. "Important man. Expo", lautete die auf Englisch gegebene Auskunft. Na prima. Da hatte ich dann Zeit genug, die neuen Glasroehren in Leuchtaktion zu sehen. Es sind naemlich nicht einfach Neonroehren - vielmehr fliesst das Licht in ihnen hinunter, oder wie soll ich das beschreiben? Ein bisschen wie diese "Regenroehren", nur dass die Leuchten Licht statt Ton produzieren und ganz ohne Umdrehen funktionieren. Bin gespannt, wie lange die halten - schon jetzt waren doch eine ganze Reihe von ihnen inaktiv.

Ansonsten wirft die Expo auch Haibaos voraus. An jeder Strassenecke, an der Platz fuer ein Beet ist, ist das schnieke mit "punten Plumen pepflanzt" (zu Póten chmettern!), und meist turnt auch ein Gruenzeug-Haibao darauf herum. Es gibt auch viele renovierte Fassaden, wie zum Beispiel an der Tibet-Road, wo der Vogel-, Grillen- und Fischmarkt ist. Ich war ja schon lange nicht mehr da, angeblich war der ja zwischendurch mal neu - aber ich finde, er ist wie eh und je. Drangvolle Enge - vielleicht etwas heller als vorher - und grosser Laerm von Voegeln und Grillen. Die Goldfischbuden sind Oasen der Stille, da blubbert nur das Wasser ein wenig; auch die wuselnden Kaesten mit Vogel-Lebendfutter sind immerhin still, ebenso wie die Schildkroeten und Molche. - Wie gesagt, viel Oberflaechenkosmetik, aber dass das Leben in der Stadt nachhaltig verbessert waere, wage ich zu bezweifeln. Better zitti, better laif? Schoen waer's.

Dienstag, 6. April 2010

Osterspaziergang

Heute war richtiges Osterwetter - nicht superklar, aber doch mit blauem Himmel. Und es war endlich ein bisschen warm! Jedenfalls tagsueber, so dass wir uns auf den Weg gemacht haben, den Bund zu bevoelkern; ich hatte ihn ja noch nicht besucht seit der Wiedereroeffnung letzte Woche. Zum Bevoelkern haette es uns nicht gebraucht, da waren schon genuegend andere Leute. Die haben sicher alle schon heute Morgen ganz frueh die Graeber ihrer Lieben gefegt, denn hier ist natuerlich nicht wegen Ostern Feiertag, sondern wegen des Graeberfegefests Qing Ming. Angeblich war um sieben Uhr Stau auf den Strassen, bis neun haette sich alles wieder beruhigt gehabt. Zu der Zeit habe ich ja erst einmal ausgeschlafen, so dass mich das gar nicht angefochten hat.

Wir hatten also geplant, mit der Faehre zum Bund hinueber zu fahren, bis zur Waibaidu-Bruecke zu gehen und dann den ganzen Weg zurueck bis zu unserer "Haus- und Hof-Faehre", aber daraus wurde nichts. Heute keine Faehre zum "aeusseren Strand", wie eine Uebersetzung von Bund (外滩, sprich: wai tan) heisst, wurde uns beschieden. Wie? Was? Da kam doch eine! Eine grosse Menschenmasse ergoss sich von der Bund-Faehre an unser Ufer, und ehe wir's uns versahen, fuhr diese Faehre doch tatsaechlich leer wieder zurueck. Na sowas! Den Grund verstehe, wer will ... wir glauben spaeter, dass diese Massnahme dazu dient, die Leute schneller vom Bund wegzubringen. - Auf "unserer" Linie war auch jede Menge Betrieb; es war einer der seltenen Tage, an denen nicht alle Wartenden jeweils im ersten Anlauf mitgenommen wurden. Und das, obwohl drei Faehrschiffe im Einsatz waren! Wir sind trotzdem gut und (gefuehlt) sicher am anderen Ufer angekommen. Man kann jetzt von unserer Faehrstation aus die ganze Zeit auf einer (halbwegs) ordentlichen Uferpromenade entlangspazieren. Und zwar bei richtig fruehlings-, fast fruehsommerhaften Temperaturen, bei denen es mir nur in der Bluse schon ein bisschen warm wurde. Alles sieht jetzt zwar etwas hingeschludert, aber gewollt schick und modern aus. [Und wird nachts schon seit einiger Zeit mit Lichterreihen in Szene gesetzt, wie auch die beiden grossen Bruecken. Fuer letztere genuegen bunte Lichter nicht, auf der Yangpu-Bruecke ist jetzt jeden Abend Laser-Show ... die kann einen schon ganz nervoes machen, denn die Bewegung wirkt weniger regelmaessig als die an den Haeusern ringsum.]

Das urspruengliche Projekt, den Bund ganz autofrei zu machen, ist nicht verwirklicht worden. Leider. Zwar ist die Uferpromenade breiter und geraeumiger als zuvor, aber auf der Strasse ist immer noch Platz fuer sechs Fahrspuren, und der Verkehr ist so hoellisch wie zuvor. Trotz des Tunnels, durch den man alternativ auch unter der Uferstrasse langfahren kann. Immerhin gibt es jetzt viel mehr Fussgaengerueberwege als zuvor. Man muss also nicht ein fuer allemal entscheiden, auf welcher Strassenseite man gehen moechte, sondern kann bequem oefter mal wechseln - besser als nichts. Aber wir hatten heute keine Lust auf die Gebaeudeseite und sind nur der Flussseite geblieben. Diesmal haben wir auch den Schlenker ueber die Waibaidu-Bruecke gemacht an den Broadway Mansions vorbei (das ist das Gebaeude, das 1934 angeblich in Form einer glueckbringenden chinesische Acht 八 in spaetem Jugendstil gebaut wurde und heute ein Hotel beherbergt), ueber die naechste Bruecke zurueck und dann mit der "Geisterbahn" durch den sogenannten Shanghai Sightseeing Tunnel wieder nach Pudong, sozusagen die schael Sick von Shanghai. Auf der Pudonger Uferpromenade war es auch nicht leerer als gegenueber. Aber wenigstens gibt es hier lauter nette Etablissements, in denen man was zu essen und zu trinken bekommt. Auf der anderen Seite gibt es in der Richtung gar nichts! O.k., einige Schicki-Micki-Sachen wie das "New Heights" im Three on the Bund oder das total ueberlaufene Café in der alten Wetterstation - aber das war's auch schon. Zu bloed! So haben wir uns in Pudong noch ein Eis gegoennt, bevor wir dann - bei jetzt empfindlich frischen Graden, bei denen ich schon mit nun wieder angezogener Jacke gefroren habe - nach Hause eilen mussten. Wir tragen gerade rechtzeitig mit Yang XiaoLi zusammen zu unserer heutigen Chinesischlektion ein.

Sonntag, 4. April 2010

Warum hast Du so grosse Augen?

Damit ich dich besser sehen kann ... aber dazu reicht bekanntlich die Groesse der Augen nicht aus, manchmal braucht es zusaetzlich schlau geschliffenes Kristall, und so sind wir gestern mal wieder Richtung Bahnhof gefahren, zum unterirdischen Brillenmarkt. Wollten wir schon laengst gemacht haben, konnten uns aber nie aufraffen. Rund um den Bahnhof ist die schon im letzten oder vorletzten Jahr begonnene Verwuestung knapp einen Monat vor der Expo nicht etwa kleiner, sondern viel groesser geworden. In einem Umkreis (o.k. - vielleicht in einem Halbumkreis, ich hab' nur eine Seite gesehen) von bestimmt zwei- oder dreihundert Metern ist jetzt eine echte Mondlandschaft. Graue Krater, zwischendrin etwas "Weltraumschrott" (sprich: Baumaschinen), und der kleinste Windhauch generiert einen mittleren Sandsturm. Dazu stroemende Menschenmassen mit und ohne Gepaeck - nicht nur, dass hier der Bahnhof ist, wir haben ja auch noch langes Wochenende, denn am Montag werden wieder die Graeber gefegt.

Wo ist denn nun der Brillenmarkt hier in dieser Wueste?? Wir kommen an einem vierstoeckigen Gebaeude vorbei, an dem zwar "Internationale Brillenstadt" steht, aber nach einem kurzen Blick hinein behauptet Burkhard, das sei ihm hier zu schicki-micki. Wir quaelen uns also weiter ueber den Mond und kommen schliesslich da an, wo frueher mal der Eingang in die Optiker-Unterwelt war. Hmm. Nach der Tiefe der Mondkrater zu urteilen, kann hier unten aber nichts mehr sein. Wir gehen in die U-Bahn-Station, aber da ist jetzt wirklich nur noch U-Bahn. Also zurueck zu dem besagten Gebaeude. Und wenn man mal richtig guckt, ist das ja gar nicht so uebel da. Immerhin gibt es vier Etagen, wenn auch im Erdgeschoss alle Laeden mit einem Aussenschaufenster absolut oed und leer sind. Ob da schon mal Geschaefte drin waren, oder ob diese vermutlich teureren Quadratmeter noch auf den Erstbezug warten? Waere ja nicht das erste Mal, dass es schon vor der Inbetriebnahme recht verrottet aussieht.

Wenn man aber nach oben kommt, sieht alles gar nicht so uebel aus. Schon so wie frueher in der Unterwelt, aber ein bisschen geraeumiger, ein bisschen schoener, und ganz bestimmt mit ein bisschen besseren Toiletten, wenn ich die neuen auch nicht ausprobiert habe. Wir finden bald "unseren" Haus- und Hoflieferanten und werden nach langem Gucken und Probieren fuendig. Burkhard wollte sich zwei Paar "Guckloecher" kaufen, ich waere eigentlich auch mit einem zufrieden gewesen, habe aber dann aus Gruenden der gefuehlten Kostenverduennung auch zwei genommen, beide randlos, eine goldig, eine peridotgruen. Zum Peridotschmuck zu tragen, versteht sich. Alles zusammen fuer ca. 380 Euro - das Teure sind Burkhards Gleitsichtglaeser. Meine Brillen gibt's praktisch nachgeworfen, fuer ca. 35 Euro das Stueck. Und vor allem kann ich die fast sofort mitnehmen! Wir gehen zwischendurch in der Lobbybar des Holiday Inn Express einen Cappuccino trinken, und dann sind sie schon fertig. Das ist praktisch, dann kann Burkhard seine "unter" der Woche abholen und ich brauch' nicht mit.

Wie die Leute nun aber in weniger als einem Monat aus der Wueste ordentliche Flaechen machen wollen (denn schnieke Haeuserblocks bekommen sie keinesfalls mehr hin), entzieht sich meiner Kenntnis. Ob wohl niemand mit dem Zug zur Expo anreist? Oder ob sie Mittel und Wege finden, die Reisenden ueber ausgewaehlte Schokoladenseitengaenge aus dem Chaos wegzufuehren??