Jaja, ich weiß, manche/r hätte gern mehr Fotos aus Shanghai und von unterwegs gesehen ... insgesamt sind in den vergangenen dreieinhalb Jahren ca. 45.000 Stück entstanden. Aber das hat man eben nur zum Teil meiner Faulheit zu verdanken - zu einem mindestens genau so großen Teil der chinesischen Regierung mit ihrer "great firewall". Hoch lebe das freie Internet!


Wer weiterhin meine Bemerkungen über Gott und die Welt lesen möchte, klickt bitte hier:
Das neue Jahr des Schweins

Wenn ich es schaffe, gibt es hier übrigens auch noch Updates, und zwar aus den bisher unveröffentlichten Reisetagebuchnotizen.

Mittwoch, 30. Juni 2010

Eine Woche Abschiedsessen?!

Na ja, nicht so ganz, aber fast: letzten Mittwoch fing der "Endspurt" mit meinem sozusagen offiziellen "Farewell Dinner" an. Am Donnerstag zuvor waren wir ja schon mit Yang XiaoLi im 100 Century Avenue auf der 91sten Etage des SWFC essen gewesen, und noch vorher hatten wir mit Kollege Martin und seiner zukuenftigen Angetrauten das mittaegliche Buffet im Shangri-La ausprobiert (auch eine Empfehlung - nicht ganz billig, aber das Preis-Leistungsverhaeltnis war wirklich in Ordnung).

Die Auswahl des Ortes fuer mein Abschiedsdinner hatte ein kleines Projekt erfordert, das von unserer Sekretaerin geplant und ausgefuehrt worden war. Irgendwann kam sie mal am relativ spaeten Abend mit einem "Stapel" Fotos (natuerlich nur Bits und Bytes) an und hat mir die lokalen Gegebenheiten aller dieser Orte ausfuehrlich anhand der Bilder geschildert. Die Quintessenz war so ungefaehr, dass alle Restaurants von dieser Liste irgendwie nicht genug Platz haetten. Schliesslich haben wir das Lapis Thai ausgewaehlt (Hunan Road), und ich fand es auch recht nett. Das Essen war ganz in Ordnung - thailaendisch halt - und ja, der Platz war ein bisschen knapp, aber ich denke, dass sich alle ganz gut unterhalten haben. Links von mir die Chinesen, rechts von mir die Expats - mit froehlicher Durchmischung war da nix. Ich hatte auch eine kleine Praesentation vorbereitet, in der ich FAQ* beantwortet habe, so von der Sorte: Bist Du viel in China herumgereist? Was hat Dir am besten gefallen? Waerst Du lieber noch geblieben? Und vor allem: Warst Du auf der Expo? Am Ende war die Praesentation gar nicht so klein - ich habe tatsaechlich 29 Minuten lang geredet - und drei der Teilnehmer konnten mit Preisen nach Hause gehen: Penne rigate mit Pastasauce aus dem Glas, eine Flasche Cahors, und eine Drittelflasche handwerklich hergestellten Rums aus Martinique. Nicht Containergeeignetes also aus unseren ehemaligen Vorraeten. War fast so gut wie eine Verlosung - ich glaube, ich erwaehnte schon, dass eine Feier ohne Lucky Draw eigentlich gar keine sein kann. Wo ich das gerade schreibe, faellt mir auf, dass meine Idee mit dem Beantworten von Fragen vielleicht doch ein bisschen langnasig war?! Wie auch immer, Fotos belegen eine relativ gebannte Zuhoererschaft. Mein Eindruck war, dass es als kurzweilig empfunden wurde.

Jedenfalls habe ich dann auch Geschenke bekommen, zwei dekorative "Ziegel" (leicht wie eine Feder?! leider nein), einer mit glueckbringenden Fischen, einer mit Kalligraphie, und das Beste daran - zur grossen Erheiterung der feixenden Expat-Gemeinde - war die Tatsache, dass die Chinesen die Kursivschrift nicht lesen konnten. Eine Kollegin hat den Ziegel eine ganze Weile studiert und dann mit dem Ausspruch "Das ist Kunst!" die missratene Entzifferung zu vertuschen versucht, was natuerlich nicht funktioniert hat, hihi!

Burkhard hat ausserdem auch mit seinen diversen "Mineralienbekanntschaften" sowie heute nochmals mit Yang XiaoLi und Han Shifu zu Mittag gegessen, von der Abschiedsente am Sonntag im Yan Yun Lou hatte ich schon geschrieben, und ich war heute noch ein letztes Mal mit meinem Team im Sichuan-Restaurant South Beauty in der Super Brand Mall. Und gestern Abend - ein echtes Glanzlicht! - waren wir im Stiller's und haben da gleich am Tisch ganz vorn rechts gesessen (auf dem Bild, das erscheint, wenn man auf den Unterpunkt Stiller's Restaurant klickt). Mit Blick auf unser ehemaliges Zuhause, schnueff! Und wir haben festgestellt, dass dieser Aus-alt-mach-neu-Entertainment-Komplex namens "The cool docks" (diese Website behauptet nur, sie koennte Englisch - kann sie aber nicht - aber ein paar Bildeindruecke kann man sich dort trotzdem erklicken) quasi in fusslaeufiger Entfernung lag - mit der Faehre uebersetzen, 200 Meter gehen, schon ist man da. Ich war einen Moment lang ganz daneben ob dieser Erkenntnis und schlug vor, dass wir dann doch Han Shifu nach Hause schicken koennten. Aber Burkhard holte mich mit der einfachen Frage "Und wie willst du von der Faehrstation zum Hotel kommen? Mit dem Taxi?" auf den Boden der Tatsachen zurueck - ach ja, natuerlich. Schnueff. Was das Essen betrifft, haben wir uns das Menu gegoennt und es war wirklich ziemlich gut. Uebrigens mit weitgehend deutschsprachigem, aber nur zum Teil deutschem Service.

Heute Abend mussten wir mit dem Packen beginnen und hatten nicht so recht die Ruhe ... also sind wir nur noch einmal zum Bund gefahren und haben auf der Terrasse des New Heights einen Cocktail samt Snack verzehrt. Ok, ok, hier geht man wegen der Terrasse hin und nicht wegen des Essens - der Blick ist aber auch wirklich spektakulaer. Oder genauer: die Blicke, denn man weiss gar nicht, wo man hingucken soll: auf das abendlich schillernde Lujiazui oder am prachtvoll illuminierten Bund entlang? Auch bemerkenswert: dass man die Terrasse ueberhaupt nutzen konnte. Nach ziemlich ueblem Regen am Vormittag sind die Wolken naemlich am Nachmittag grosszuegig aufgerissen und haben sogar die Sonne mal wieder auf Shanghai blicken lassen. In nicht unangenehmer Temperatur konnten wir also unter der angestrahlten China-Flagge Platz nehmen. Ja, und jetzt sind wir also schon mitten in unserer letzten Nacht in Shanghai.

*FAQ: Frequently Asked Questions, also haeufig gestellte Fragen

Sonntag, 27. Juni 2010

Auf Wiedersehen, Zi Zhong Jiang Pan!

Heute waren wir also - seufz! so viele Dinge zum letzten Mal! - zum (jedenfalls vorerst ... wer weiss ...) letzten Mal im Shanghai Museum auf dem Volksplatz. Auch wenn die Ausstellungsstuecke hier naturgemaess weniger variabel sind als in der Moganshan Lu, gibt es doch immer noch wieder etwas Neues zu entdecken. Und dabei rede ich nicht einmal von den Wechselausstellungen. Speziell in der Jadegalerie und vielleicht auch bei "Shuhua", also Malerei und Kalligrafie, werden wohl gelegentlich die Ausstellungsstuecke gewechselt, so dass auch die Sachen aus dem Depot einmal zur Geltung kommen koennen. In der Jadegalerie hat Burkhard heute zum ersten Mal eine sehr schoene weisse "FeiTian", Flieg-im-Himmel, sprich: Apsara entdeckt. Bei ihm heissen die ja nach ihrer Beschaeftigung. Was machen naemlich so Apsaras den ganzen Tag? Hin- und Herfliegen, also Fei Lai Fei Qu (sprich: tschü). Heiteres Beruferaten.

Ausserdem waren wir heute zum allerersten Mal (als Gegenmittel sozusagen) in der Ausstellung zu chinesischen Zahlungsmitteln. Es gab zunaechst schaufelfoermige und messerfoermige, und dann waren sehr sehr lange die runden Muenzen mit einem quadratischen Loch in Mode und Gebrauch. War ja auch nicht unpraktisch, das Loch, da kann man seine Schaeflein, aeh, sein Scherflein, ganz einfach mit einer Schnur zusammenhalten. Ganz interessant war, dass die Muenzen in China sehr lange gegossen wurden ... bis die Chinesen irgendwann gesehen haben, dass man die auch praegen kann. Und der gute alte Kublai Khan hatte schon zu Zeiten der von ihm gegruendeten Yuan-Dynastie, also im 13. Jahrhundert, erstmalig mit Papiergeld (hm, sagen wir mal:) experimentiert. Aber es gab natuerlich auch die mehr oder weniger schiffchenfoermigen Gold- und Silberbarren zu sehen.

Dann haben wir uns von den steinernen Buddhas verabschiedet und natuerlich vor allem vom Pan von Zi Zhong Jiang, diesem wunderschoenen flachen bronzenen Wasserbecken mit kleinen Fischen, Froeschen und Enten. Das ist immer wieder toll!

Auch toll war es hinterher im Museumsladen. Schon seit laengerer Zeit versuche ich, ein bestimmtes Buch ueber Kursivschrift zu kaufen. Das war zuletzt ueberall vergriffen, und das letzte Mal, dass ich eins gesehen habe, war im Flughafen-Buchladen. Das Exemplar dort war schon ganz schoen verhunzt, angeschmuddelt und mit "abben Ecken" sozusagen. Das haette ich ja fuer einen Antiquariatspreis gekauft, aber die Ladenangestellte wollte es mir nur zum normalen Preis geben. Das ging ja schon aus Prinzip nicht - und jetzt habe ich ganz durch Zufall ein offenbar weiteres letztes Exemplar gefunden und natuerlich gleich "zugeschlagen". Zum vollen Preis, aber auch ganz frisch und sauber. Ich krieg' mich kaum ein!

Nach soviel Kultur waren wir dann hungrig, und es war ja auch schon fast halb sechs: chinesische Essenszeit. Wir sind in das traditionelle Yan Yun Lou auf der Nanjing Lu gegangen. Die sind da auf Pekingente spezialisiert, mit der wir uns dann auch die Baeuche vollgeschlagen haben. An dieser Ente war direkt ungewoehnlich viel Fleisch! Ein kleiner Rundgang in Daemmerung, blauer Stunde und am fruehen Abend auf der Nanjing Lu und ein Espresso bei "Schingbacke" haben diesen trotz miserablen, unsaeglichen, grauen Regenwetters schoenen Tag abgerundet. Ich war ja wirklich schon lange nicht mehr auf der Nanjing Lu und hatte ganz vergessen, dass man da alle paar Sekunden von irgendwem angehauen wird, der einem "Lolex" oder sonstige Wotsch, Baegs! andrehen will. Ich habe dann fast permanent mit "wo bu yao" (will ich nicht) grosszuegig um mich geworfen ... was heute ueberraschend gut funktionierte.

Mehr Kunst!

So, der Samstag ist jetzt schon mal um - mit einem ganz kleinen Besuch bei Zheng Hong, der in so einer engen Gasse an der YanAn Lu (so auch die Adresse) in einem Haus aus den 1930er Jahren wohnt und arbeitet. In einem Zimmer steht ein ziemlich grosser Tisch fuer chinesische Malerei, in einem anderen eine grosse Staffelei fuer bespannte Leinwaende oder dergleichen. Jedenfalls haben wir noch einmal Stempel bekommen, natuerlich nicht bloss einen, sondern drei, von denen einer doppelt ist. Nu' muss die Sammlung aber auch wirklich komplett sein! Ausserdem hat er mir noch ein Studienbuch mitgegeben, natuerlich mit hanzi (sprich: han(d)se mit unbetontem e, fast ganz genau wie in "Frau Hansemann!", was wir immer zu rufen pflegten, wenn Yang XiaoLi uns zu den hanzi, d.h. den chinesischen Schriftzeichen, rief). Hanzi von Yan Zhenqing. Von wem sonst?

Danach sind wir noch ein letztes Mal zur Moganshan Lu gefahren und haben da mal rasch fast vier Stunden verbracht. Zwar kannten wir natuerlich schon einige der Werke, aber es gibt auch immer Neues, und schliesslich waren wir auch noch nicht ueberall. Zum Beispiel ist da ein vorher noch nicht gesehenes Moebelgeschaeft namens MORELESS - das Geschaeft ist gut, die Designideen sind zum Teil klasse, nur die Website finde ich weniger gelungen. Unter "Products" kann man sich dort sowohl im Teil "More" wie im Teil "Less" einige Eindruecke verschaffen.

Auch finanziell ist in den diversen Galerien fuer jedes Budget etwas dabei: Von Postkarten fuer 2 RMB bis zu Werken mit himmelstuermenden Preisen ist alles zu haben (z.B. die beiden Tuerwaechter, vielleicht Heng und Ha, in arcimboldischer 'Aufloesung' der Formen, aber ohne Gemuese, fuer 390.000 RMB).

Diesmal haben wir auch noch ein paar der Galerien an der Strasse besichtigt. Die eine stand ganz im Zeichen der Kalligraphie: Die Waende waren in chinesischer Kursivschrift beschrieben, die von der Decke luftschlangenartig "herunterhing". Dazu rot gestrichene Versorgungsrohre (wie ueberall in den Gebaeuden liegen die hier natuerlich offen) und auch Schrift-Werke - das gab eine ganz besondere Atmosphaere. Gleich nebenan hingen grossformatige Fotografien von Stadtszenen, die offenbar in der Daemmerung gemacht, aber tuechtig ueberbelichtet waren: auch ein Thema zum Selber-Experimentieren.

Samstag, 26. Juni 2010

Das ist das letzte

Wochenende in Shanghai, von dem wir jetzt schon das Samstagsfruehstueck hinter uns gebracht haben. Im Eton Hotel, das mich immer irgendwie an das Haus am E(a)ton Place erinnert. Wir sind schon am Montagabend hier eingezogen, schnueff. Und kommenden Mittwoch ziehen wir aus, der Flug nach Deutschland - genau betrachtet nach Istanbul - geht am spaeten Abend.

Am letzten Montag sollte ja unser gesamter Hausstand eingepackt werden. Der zarte Hinweis, dass damals in Deutschland fast 5 Tage lang gepackt wurde, wurde mit grosser Geste hinweggewischt: nein, kein Problem, einen 20-Fuss-Container kann man immer an einem Tag packen. Ja dann. Als ich am Montagabend gucken kam, waren das Schlafzimmer, das Arbeitszimmer und das Gaestezimmer noch so gut wie gar nicht bearbeitet ... und bald hiess es auch, dass der geplante 20-Fuss-Container nicht ausreichen wuerde. Jaja, die Fachleute mit Fachverstand ... Die haben natuerlich auch unsere Schuhe in eine Kiste gepackt und die Schuhkartons oben drauf, hihi. Und trotz des cremefarbenen Klebestreifens, der die Sachen markierte, die nicht eingepackt werden sollten, werden wir in Deutschland mit dicken Stapeln des allerscheusslichsten Vorhangstoffs ankommen. Der war in der Wohnung, als wir eingezogen sind, um gegen allzu viel Sonneneinstrahlung zu schuetzen. Wir haben jetzt unsere Vorhaenge haengen lassen. Bei den lila Seidenvorhaengen im Wohnzimmer haette ich die Sorge, dass sie bei Kontakt mit einer Waschlauge auseinanderfallen ...

Nur der Vollstaendigkeit halber: Am Dienstagabend war dann tatsaechlich alles weg, und ich erwarte, diesmal zum Geburtstag ein sehr grosses Paket zum Auspacken zu bekommen, ca. 20 Fuss. Ich hoffe, die Umzugsfirma erfuellt unsere Bitte und macht eine schoene rote Schleife drum.

Apropos: Als ich am Dienstagabend ins Hotelzimmer kam, war ich gleich besorgt, sah ich doch auf Burkhards Arm ein Pflaster. Was denn da passiert sei? Wo? Ach so: das war gar kein Pflaster, das war ein cremefarbener Klebestreifen. Ouf, ist ja gerade noch mal gut gegangen, sonst haetten die ihn womoeglich eingepackt!

Und noch eine gute Geschichte: Wir besitzen einen bronzenen Raben, der Balkon oder Terrasse zu bewachen pflegt. Und ich sag's gleich: Da er moeglichst Tauben abschrecken soll, handelt es sich nicht etwa um eine kubistische oder sonstwie abstrakte Skulptur, sondern um einen hoechst realistisch gestalteten schwarzen Vogel. Irgendwann war der auch weggepackt, wie sich das gehoert. Nun sind die Biologiekenntnisse der Chinesen ja eher begrenzt ("sind Wildschweine eigentlich mit Schweinen verwandt?"). Burkhard konnte vor Lachen kaum erzaehlen, was auf der Kiste stand: Duck.

Freitag, 18. Juni 2010

Aufgebrezelt

Gestern hatten wir einen Redner eines multinationalen Konzerns zu Gast, den Leiter fuer Greater China. Seine Folien waren zwar nicht so ueberzeugend, aber wenn man nicht hinschaute, ging es ganz gut - die waren mehr dazu geeignet, die Multitaskingfaehigkeit der Zuhoerer zu testen denn seine Botschaften zu unterstreichen. Aber sei's drum. Ich will naemlich nur berichten, dass er sagte, Shanghai erinnere ihn jetzt stark an seine Tochter. Und zwar an seine Tochter, als sie zum Abschlussball der High School ging. Und diese Beschreibung trifft es wirklich richtig gut! (Ein Skandal, dass ich nicht selbst auf diesen Vergleich gekommen bin ... wahrscheinlich braucht man dazu eine Tochter ...)

Donnerstag, 17. Juni 2010

Stemplomanie

Nein, es geht hier nicht um meine Sammlung chinesischer Steinstempel, sondern immer noch um die Expo. Wie heisst es noch so schoen? Uuuunglaubliche Szenen spielen sich ab! Ich hatte ja erwaehnt, dass wir auch Stempel gesammelt haben, habe aber, glaube ich, gar nicht vom Ergebnis berichtet: 24 Stueck. Also gerade mal schlappe 6 Prozent der zu erjagenden 400 Stempel. Da lachen ja die Chinesen bloss drueber! Die sind naemlich im Stempelwahn. Zuerst stand schon eine Warnung in der Zeitung, dass man bitte nicht seinen echten Pass zum Stempeln vorlegen moechte (wer kommt denn auf so'ne Idee???), sondern einen der Expo-Paesse. Die gibt es in fuenf Ausgaben, naemlich rot, gruen, blau als Standardversionen, die gelbe Cartoon-Version und eine Luxus-Version. Hab' ich gelesen - wir haben uns natuerlich keinen gekauft. Wobei die Leute hier auch gern dem Yin-und-Yang-Prinzip folgen: warum sich entscheiden, wenn man auch alle fuenf kaufen kann?

Dann der naechste Wahn: im chinesischen Internet kann man angeblich Expo-Paesse mit kompletten Stempelsammlungen kaufen, ich hoerte mal von um die 9000 RMB, also auf jeden Fall mehr als 800 Euro. Vermutlich angemessen, wenn man den Aufwand betrachtet, aber was zum Henker soll das?! Der Pass soll doch als Souvenir dienen, kauft man sich damit fremde Erinnerungen? Die Kaeufer versteh' ich also schon mal gar nicht, die Verkaeufer schon eher. Die machen sich das Leben naemlich mittlerweile leichter und kommen gleich mit Stapeln von Paessen zu den Stempelfritzen und -liesen. Was wiederum dazu fuehrt, dass nicht nur fuer den Pavillon-Eintritt lange Warteschlangen entstehen, sondern auch an den Stempeltischen. Einer der Pavillons, in dem es eigentlich vorgesehen war, dass jeder am Ausgang einen Stempel mitnehmen kann, hat jetzt schon einen separaten "Ausgang ohne Stempel" ausgewiesen ...

Mittwoch, 16. Juni 2010

Ich war da-ha!

Kraft Regierungsbeschluss hatte unsere Personalabteilung das letzte Wochenende auf Montag und Dienstag verschoben (ja, sowas gibt's auch nur in China oder aehnlichen Laendern ...). Das heisst, die letzte Woche hatte sieben Arbeitstage, naemlich von Montag bis Sonntag, dafuer war gestern und vorgestern, also Montag und Dienstag, Wochenende. Und der ganze Heckmeck (das ganze Bohai?!) bloss, weil sich heute in grauer und unbestimmter Vorzeit ein aufrechter Beamter wegen ungerechter Anfechtungen in einem Fluss ertraenkt hat, weshalb irgendwann Leute angefangen haben, am selbigen Tag Rennen im Drachenboot zu fahren und daraus gleich einen Festtag zu machen. Wobei mir nicht klar ist, was der Ruderwettkampf mit besagtem Selbstmord zu tun hat. Aber egal.

Als ich am fruehen Montagmorgen mal erwachte, war es draussen zwar grau, aber mit einem leisen Anflug von Sonnenlicht, weshalb ich "ein froehliches Liedlein" anstimmte und Burkhard so weckte. Immerhin hatte der Wetterbericht sonnige Abschnitte versprochen, also hiess es: Jetzt oder nie!, und wir richteten uns darauf ein, an diesem Tag (trotz dekretierten Wochenendes) zur Expo zu fahren. Gegen viertel vor zehn machten wir uns auf.

Das Wassertor hier an "unserer" Faehrstation ist praktisch, und es ist auch keine Warteschlange zu sehen. Leider verpassen wir die Zehn-Uhr-Fahrt, denn wir muessen die Eintrittskarte kaufen und durch die Sicherheitskontrolle und durch Schlange-Steh-Serpentinen und bis ganz hinten zum allerletzten Boot, das um 10:20 Uhr abfahren soll. Leider kommen wir gerade so, dass die Sitzplaetze alle belegt sind, schade ... bei dem Gedanken an die Expo-Herumlatscherei tun mir die Fuesse schliesslich jetzt schon weh. Mittlerweile gibt es auch keinen Anflug von Sonne mehr, es ist grau in grau. Nun ja. Nach etwa 25 Minuten erreichen wir die Anlegestelle in der Naehe der "UBPA", der Urban Best Practices Area. Burkhard kriegt sich kaum ein darueber, wie voll es ist im Vergleich zu dem Tag vor einiger Zeit, als er schon einmal da war. Dabei ist es nicht mal allzu voll. [Und uebrigens ist die Toilette, die wir hier aufsuchen, trotz des Besucherandrangs recht ok, man *und nicht einmal frau* muss praktisch nicht warten, es gibt Papier, Wasser, Seife und sogar Papierhandtuecher. Seit langem die beste oeffentliche Toilette in China ... und anderswo.]

Wir erkunden erst einmal den Bereich, den Burkhard bei seinem ersten Besuch ausgelassen hatte. Da gibt es sogenannte "joint case"-Pavillons, in denen verschiedene Staedte sich praesentieren. Au ja, nach Duesseldorf! Der Duesseldorfer Buergermeister grinst leicht ueberlebensgross von einem Plakat, und Schautafeln praesentieren die Schoenheiten und Vorteile zum Beispiel der Rheinuferpromenade und des Medienhafens. Staedtische Errungenschaften eben! Haeuserfassaden à la Altstadt, Fotos zum Beispiel von der Koe und ein Bodenbelag wie auf der besagten Promenade komplettieren das Bild. Na, da fangen wir am besten gleich an, die begehrten Stempel einzusammeln! "City of Düsseldorf" prangt als erster auf unserem Expo-Plan. Bald finden wir auch Freiburg (da gibt's Stadtteilautos, von denen 160 ca. 1000 Privatfahrzeuge ersetzen) und Bremen (da gibt's vier Stadtmusikanten mit einem goldfarbenen Autogramm von Horst Koehler auf dem Esel). Die Schlange am Hamburger Pavillon ist uns schon zu lang, da muss man voraussichtlich mehr als 15 Minuten warten (das ist so unser Limit).

In der Tapas-Bar "in Madrid" nehmen wir einen Imbiss zu uns, und als wir da fertig sind - regnet es. Baaaeeeh! Ist ja scheusslich! Wir stellen uns ca. 10 Minuten fuer London an (die Schlange ist ueberdacht), aber hinterher regnet es immer noch. So ein Mist! - Shanghai hat ein eigenes vierstoeckiges Eco-Haus, aus dem mir die Ecke mit den schrifttragenden Medien in Erinnerung geblieben ist - der Grund dafuer wirkt aber nur auf Englisch: bamboo slips, parchment, jute paper, rice paper, newspaper. Und die Loesung, wie Kinderhaende schadenfrei Tisch und Waende beschmieren koennen: man malt einfach mit dem Finger auf der Wand, und der Finger hinterlaesst rote Lichtspuren. Wenn die Wand voll ist, kann man sie einfach mit der flachen Hand auswischen und von vorn anfangen.

Nachdem wir uns hier genuegend umgesehen haben, wollen wir eigentlich direkt mit der Faehre auf die Pudong-Seite mit den Laenderpavillons uebersetzen, aber die Schlange da ist ein wahres Ungeheuer. So was Bloedes! Die haetten genuegend Schiffe und Anlegeplaetze, um fuer einen zuegigen Transport der Menschen zu sorgen! Aber nein, statt dessen setzt man nur wenige Ressourcen ein und faehrt genau nach Fahrplan, nicht etwa, wenn ein Schiff voll ist. Koennen die Gaeste halt warten. Umpf. Das uebersteigt unser Viertelstundenlimit, also beschliessen wir, erstmal auf der Puxi-Seite weiterzugehen. Ueberall sind Schlangen beachtlicher Laenge, am Erdoel-Pavillon, am Schiffsbau-Pavillon, am Luftfahrt-Pavillon undsoweiterundsofort. Die Anzeigetafeln verkuenden meist so drei bis vier Stunden Wartezeit. Bin ich denn des Wahnsinns fette Beute??

Wenigstens ist der Andrang an der naechsten Faehrenhaltestelle nicht so gross. Wir besteigen ein Schiff Richtung Afrika-Pavillon. Das braucht 10 Minuten zum Fahren und dann 10 Minuten zum Anlegen. Erster Versuch: wir haben noch ca. einen Meter Wasser zwischen der linken Schiffsseite und dem Anleger. Aber irgendwie will der Meter nicht schmaler werden, auch mit einigem Hin- und Herhampeln nicht. Also wieder ein bisschen weg, dann ein bisschen viel weg, auf der Stelle das Schiff drehen und dann mit der rechten Seite anlegen. Wie gesagt, 10 Minuten. Die Besucher hamja Zeeeeiiiit.

Im Afrika-Pavillon werden wir Zeuge einer kleinen Anekdote. Da sitzt eine afrikanische Matrone und malt Chinesinnen traditionelle Henna-Muster auf die Haende - das gibt's ja nicht nur in Indien. Als eine gerade fertig ist, entsteht eine winzige Pause, bis die naechste aus der Schlange auf dem Stuhl am Maltischchen Platz genommen hat. Die Afrikanerin ist aber sooooo muede, dass ihr sofort die Augen zufallen. Sie schlaeft einfach im Sitzen ein - kann einem leid tun, die arme Frau! Bestimmt total fertig. Und das mitten in einem Pulk laermender Chinesen (ca. 99 Prozent der Besucher, wuerde ich sagen) mitten in einer riesigen Halle. Wir haben nicht gewartet, wie die Situation geloest wurde ... die naechste Chinesin war ja nun ganz verunsichert. Sie legt erwartungsvoll ihre Hand auf den Tisch ... und nichts passiert. Was tun??

Wir besuchen einige andere Sammelpavillons: Suedamerika und die karibischen Inseln - das sind ja ganz coole Staende da. Voll mit leeren Regalen! Keine Ahnung, was das soll - vielleicht waren da vorher Ausstellungsstuecke drin, die dauernd soviel angegrapscht wurden, dass man sie am Ende doch lieber entfernt hat? Oder hat das Budget nur fuer das Aufbauen der Regale gereicht und dann nicht mehr weiter? Oder waren da die Geschenke drin, die fuer ein halbes Jahr haetten reichen sollen, dann aber doch nach einem Monat schon alle vergriffen waren? Wie auch immer - jedenfalls haben die hier wenigstens die froehlichen karibischen Rhythmen, die jede Leere noch irgendwie mit guter Laune fuellen.  ;-))  In Cuba ist die Laune so gut, dass der Pavillon gleich ganz geschlossen ist. Vor einem heruntergefahrenen Garagentor steht aber doch ein Stempelausteiler ... ich vermute ja, dass es anderenfalls Randale gaebe.

Mit dem Regen wird es nicht besser, und so langsam bin ich etwas unmutig, weil es nicht so recht was "fuer den kleinen Hunger" gibt. Langsam kommt auch schon die Abenddaemmerung ... Burkhard meinte, im Luxemburger Pavillon gaeb's ein gutes Restaurant. Na ja - der Blick auf die Karte verraet schon, dass es wahrscheinlich "nit so doll" ist, aber immerhin gibt's weisse Tischtuecher, Blumen auf den Tischen, und es ist mit schoenem Geschirr und Glaesern eingedeckt. Wir haben auch keine Lust, etwas anderes zu suchen, und beschliessen also, eine  "Luxemburger Wurst" zu essen. Keine Ahnung, ob das da eine Spezialitaet ist ... jedenfalls gibt es vorher eine heisse Suppe und dann die besagte Wurst. Eine gebruehte Weisswurst mit einer weisslichen Sauce, die aussieht wie Mayonnaise, aber schmeckt wie - ja wie eigentlich? Viel Geschmack hat sie nicht. Dazu ein Broccoliroeschen und ein paar Moehrenstreifen, beides korrekt knackig immerhin, und Kartoffelpueree aus dem Beutel. Da werden die sich wohl dumm und daemlich dran verdienen ... dieser Teller mit der Wurst kostet 178 RMB! Und beinahe haette ich's vergessen: Zur Suppe bekam jeder von uns ein halbes Broetchen und Butter. Ein halbes! Und das war von vorgestern, aufgebacken und daher eher eine Art Zwieback ... Und zu allem Ueberfluss wurden die Gaeste hier auch noch tiefgekuehlt! Ach ja, und noch was: voellig unpassend zum Stil des Restaurants lief auf einigen Fernsehern die Fussball-WM, Deutschland gegen Australien.

Danach sind wir noch bis zur Expo-Achse gegangen, haben unterwegs etwas gegessen, das sich "belgische Waffel" nannte, und dann hatte ich eigentlich auch keine Lust mehr. Unterwegs waren wir noch kurz im kambodschanischen Pavillon - das war so ungefaehr der einzige, an dem es keine Schlange gab. Der beruehmte China-Pavillon ist einfach nur ein Grosskotzklotz, und voellig unerreichbar. Zugang ausschliesslich per Reservierung, und eine Reservierung kann man bekommen, indem man sich morgens um neun Uhr an den Eingangstoren einfindet und hofft, dass man eins abbekommt. Neee, lass ma'!

Nach ca. 11 Stunden waren wir dann wieder zu Hause, und nach einem leckeren Espresso und einem schoenen heissen Fussbad (aaah! wie taten mir die Fuesse weh!) bin ich auch gleich ins Bett gegangen.