Jaja, ich weiß, manche/r hätte gern mehr Fotos aus Shanghai und von unterwegs gesehen ... insgesamt sind in den vergangenen dreieinhalb Jahren ca. 45.000 Stück entstanden. Aber das hat man eben nur zum Teil meiner Faulheit zu verdanken - zu einem mindestens genau so großen Teil der chinesischen Regierung mit ihrer "great firewall". Hoch lebe das freie Internet!


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Das neue Jahr des Schweins

Wenn ich es schaffe, gibt es hier übrigens auch noch Updates, und zwar aus den bisher unveröffentlichten Reisetagebuchnotizen.

Montag, 30. November 2009

Wie man Sutras schreibt

Nachdem ich die tangzeitliche Poesie kalligraphisch abgegrast habe, habe ich mich zuletzt buddhistischen Texten zugewandt. Und was laege da naeher, als Sutras zu schreiben? Das erste Problem besteht darin, die Textvorlagen zu bekommen (jedenfalls fuer mich) - das zweite, dass die meisten recht lang sind. Aber jetzt habe ich zum Glueck das Herz-Sutra gefunden, das ist kurz: ca. 240 Zeichen. Also ueberschaubar. Auch hier wird aber Zheng Hong nicht muede zu betonen, dass er das nicht verstehe. Man kann zwar Uebersetzungen davon finden, aber ich gebe ihm nicht unrecht (siehe zum Beispiel eine deutsche Fassung)  ...

In dem von mir sehr geschaetzten Buch Sacred calligraphy of the East steht auch ein ganzes Kapitel darueber, wie man Sutras schreibt. Kurz zusammengefasst geht das wie folgt:
  • Zuerst den ganzen Raum und den Tisch, in bzw. auf dem man sein Sutra schreiben will, reinigen und scheuern. (Davon abgesehen, dass mindestens der Tisch davon bescheuert wird, moechte ich das gern Qian Ayi ueberlassen.)
  • Damit der Geist durch den Koerper in die Tinte fliesst, moeglichst ein Schreibgeraet benutzen, bei dem man mit einer Schreibfluessigkeit schreibt. (Na gut, dies ist weniger schwierig zu erfuellen.)
  • Dann frisches Papier vorbereiten und die Schreibgeraete ordentlich auf dem Tisch arrangieren. (Meine persoenliche Erfahrung ist, dass das Schreiben die Schreibgeraete leicht in Unordnung bringt - ob es also besser waere, sie danach nicht mehr anzuruehren?)
  • Vor dem Schreiben nichts essen und trinken und beim Schreiben weder essen noch trinken noch rauchen. (Genauso steht es da - darf ich daraus ableiten, dass man vor dem Schreiben noch schnell eine rauchen muss? Plutperaujcht!) (Und warum soll man denn kein Wasser trinken? Das ist immer gesund, und meines Erachtens stoert es auch das Schreiben nicht. Man muss es ja nicht wie ein Kamel machen und gleich 40 Liter auf einmal saufen.)
  • Nach Moeglichkeit eine gruendliche Waschung vornehmen.
  • Frische Kleidung anziehen.  
  • Raeucherwerk anzuenden.
  • Einige Minuten meditieren.
  • In klassischer Manier dreimal niederwerfen (d.h. mit der Stirn den Boden beruehren - chmettert tehn Purchen zu Poten!), aber grosszuegigerweise genuegt auch einmal verbeugen.
  • Das Sutra einmal lesen oder singen (koennen vor Lachen!).
  • Ein formalisiertes Bittgebet sprechen.
  • Und dann kann es auch schon so gut wie losgehen: Ruecken gerade, Schultern locker, aus dem physischen und spirituellen Zentrum des Koerpers (gleich unter dem Nabel) atmen und den Pinsel (so man denn mit einem schreibt) sicher, aber nicht allzu fest halten. Jeden Strich mit voller Konzentration von Koerper und Geist (was genau ist Konzentration des Koerpers?) ausfuehren, als ob man ein schweres hoelzernes Schwert schwinge. Das Sutra mit dem Koerper schreiben. Jedes einzelne Zeichen mit einem Gefuehl der Dankbarkeit fuer die Lehre schreiben. Nicht hasten oder in Gedanken abschweifen.
  • Das Sutra ohne Pause zu Ende schreiben. (Na prima - beim Herzsutra mag das ja gehen, aber andere Sutras sind laaaaang ...)
  • Die Schreibarbeit mit einer weiteren Gebetsformel abschliessen.
  • Sich in Dankbarkeit verneigen.
  • Das fertiggeschriebene Sutra an einem angemessenen Ort aufbewahren, etwa in einem Altar oder einem Stupa. Niemals wegwerfen oder fuer irgendwas anderes gebrauchen!
Ja dann. Ich bin spaetestens nach dem Wechsel der Kleider erschoepft. Was heisst bin ... waere. Ob daraufhin die ganze Arbeit wertlos ist? Das glaube ich eigentlich nicht, weshalb ich die Prozedur nach Informatikermanier signifikant vereinfacht habe:
  • Beginn.
  • Bereite Schreib-Tisch vor (samt Pinsel, Tusche, Wasser).
  • Bereite Papier vor.
  • Schreibe.
  • Wenn Zeit um, raeume Tisch ab.
  • Wenn fertig, gehe zu Ende.
  • Solange nicht fertig und Zeit, gehe zurueck zu Beginn.
  • Ende.
Ich geb' ja zu, dass das deutlich prosaischer ist - aber sonst kann ich gar nie ein Sutra schreiben, und das waere doch auch schade!

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