Jaja, ich weiß, manche/r hätte gern mehr Fotos aus Shanghai und von unterwegs gesehen ... insgesamt sind in den vergangenen dreieinhalb Jahren ca. 45.000 Stück entstanden. Aber das hat man eben nur zum Teil meiner Faulheit zu verdanken - zu einem mindestens genau so großen Teil der chinesischen Regierung mit ihrer "great firewall". Hoch lebe das freie Internet!


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Das neue Jahr des Schweins

Wenn ich es schaffe, gibt es hier übrigens auch noch Updates, und zwar aus den bisher unveröffentlichten Reisetagebuchnotizen.

Freitag, 21. Mai 2010

Mittwoch, 19. Mai 2010: Suzhou revisited

Um neun Uhr morgens holt uns ein gewisser Tian Shifu in einem schwarzen Buick ab. Eigentlich wollten wir ja mit dem Zug fahren - aber das ist eine (mir jetzt allzu) lange Geschichte. Das Wetter verspricht wenig, aber als wir nach zwei Stunden Fahrt in Suzhou ankommen, sieht es gar nicht mehr so schlecht aus. Dafuer bin ich von der Automatik des Buick schon ganz genervt - die macht ja dauernd einen Satz! (Also NICHT so wie ich hier, Gruss aus Kalau.) Dann ist es bald an Tian Shifu, genervt zu sein. Er kennt sich naemlich offenbar in Suzhou nicht aus und beschert uns erst einmal eine Stunde "Stadtrundfahrt", die von zahlreichen Stopps unterbrochen wird. Aussteigen, Tuer zuknallen (geht wahrscheinlich nicht anders bei dem Auto), wild gestikulierend mobil telefonieren oder irgendwelche Leute anhauen, die alle nur so tun, als ob sie Bescheid wuessten, oder so schlecht erklaeren koennen, dass ihre Botschaft nicht ueberkommt. Grins. Schliesslich "kauft" er sich einen, der mit dem Mofa vor ihm herfaehrt.

Am Ende finden wir sie aber doch, Sisey, unsere Fuehrerin fuer Suzhou, in der Naehe des Zhuozheng Yuan, des Gartens des bescheidenen Verwalters. Sie hat ein langes Gesicht, macht aber keins - ganz im Gegenteil, sie wirkt so, als ob ein herzliches Lachen jederzeit unmittelbar bevorstuende. Geschichte hat sie studiert und frueher mal als Geschichtslehrerin gearbeitet. Sie drueckt uns einen handgeschriebenen Zettel in die Hand: die chinesischen Dynastien, und fuehrt uns dann gleich in den besagten Garten. Sie spricht recht gut Englisch, versteht es aber nicht sehr gut - und ich habe den Eindruck, dass ihre Erklaerungen virtuell unverstaendlich sind, wenn man von chinesischer Kultur noch nicht viel gehoert und gesehen hat. Dafuer kennt sie jede Halle, jeden Pavillon, jede Bruecke mit Namen und kann die Geschichte zum Namen erklaeren. Sie hat auch jede Menge Zahlen im Kopf, wenn auch die Einheiten schonmal etwas durcheinander gehen. Aber was ist schon dabei - ist ja letztlich egal, ob ein Stein sechs Meter fuenfzig hoch ist oder fuenfundsechzig Meter.

Der Zhuozheng Yuan ist mit ca. 50.000 Quadratmetern eher gross, aber trotzdem fuellt er sich am Nachmittag rasch mit "Volk". Die relative Leere zur Mittagszeit war wohl auf die Futterpause zurueckzufuehren. Ich stelle fest, dass ich mich sehr gut an den Garten erinnere - die Ansichten sind alle vertraut, nur dass es insgesamt etwas gruener ist. Die 36 Mandarinenten planschen wie eh und je in ihrem kleinen abgeteilten Teicheckchen, und ich krieg mich gar nicht ein, wie toll das Wasser vom Gefieder abperlt. Eine gemischte Gruppe buddhistischer Klosterbewohner (Maennlein und Weiblein!) mit knallorangefarbenen Baseballkappen zur ockerfarbenen Klosterkluft sorgt fuer Farbtupfer im ueppigen Gruen.

Nach dem Zhuozheng Yuan steht, wie damals, der Loewenwald Shizi Lin auf dem Programm. Auch an den kann ich mich noch gut erinnern, nur dass er damals nicht so unsaeglich voll war wie diesmal. Fuuu'ch'baaaa'! Neu gelernt habe ich, dass ein Buddhist den Garten fuer seinen Lehrer erbaut hat, der mal in irgendeiner Einsiedelei an irgendeiner Loewenklippe eingesiedelt hat. Ja dann. Gut gebruellt.

Wir versuchen dann, ins Museum zu gehen - aber sowohl das Opern- und Theater- als auch das Seidenmuseum haben ihre Tore "schon" geschlossen (um halb fuenf, nicht dass sich die Angestellten ueberarbeiten). Also geht es zum Nordkloster Bei Si mit seiner Pagode, schlicht Bei Si Ta, Nordklosterturm. Der uebergewichtige, aber glueckliche Buddha laechelt undurchsichtig vor sich hin und laesst sich von den Homo sapiens, die auf ihm herumturnen und an ihm herumgrapschen, nicht beeindrucken. Das geht vorueber?!

Wir besteigen die neunstoeckige, etwas mehr als 76 Meter hohe achteckige Pagode. Angeblich kann man von oben einen tollen Ausblick geniessen - aber wie schon damals kann man meiner Meinung nach nur gut Suzhou ueberblicken.

In einem der Hoefe hinter der Pagode schlaegt ein Feuerchen aus einem kleinen Blecheimer, daneben steht ein anderes Blechtoepfchen. Bald sehe ich, wozu das gut ist: hier kann man normale und auch die hier offenbar besonders beliebten Riesenraeucherstaebchen anzuenden. Erst einmal in das Toepfchen dippen - da ist eine Fluessigkeit drin, wohl Oel?! -, dann ab ins Feuer damit. Wenn die Leute dann damit zur Tempelhalle gehen, muss ich dauernd an Stabhochsprung denken - nach Weihe und Gebet kommen die Riesendinger dann in eine Brennbude aus Wellblech, die tuechtig vor sich hinraucht und reichlich Waerme abstrahlt. Ich bin nur immer besorgt, weil die meisten Leute die Verpackungsfolie nur zu einem kleinen Teil entfernen …

Vor einer Guanyin-Halle, in die Burkhard von aussen hineinfotografiert, stehen zwei gar nicht so alte Chinesinnen, die ihn belehren wollen, dass Buddha zu fotografieren Unglueck bringt. Au weia. Sisey kommentiert, dass nur die chinesischen Reisefuehrer das ihren Gaesten erzaehlen, die fremdsprachigen nicht - ich kommentier' lieber gar nicht.

Unser Hotel, das wir daraufhin ansteuern, entpuppt sich als Fuenf-Sterne-Bude mit Lokalflair, recht schoen. Das Zimmer ist gross, das Badezimmer gut, die Betten nicht allzu hart, und es gibt das von mir so geliebte Buchweizenkissen. Prima! Wir sind ziemlich muede und gehen daher ins chinesische Restaurant des Hotels. Die marinierte Ente nach Art von Suzhou ist aus, die nach Art von Nanjing hat bleiche, fette Haut und viele Knochen, der gedaempfte Taihu-Fisch schmeckt leicht schlammig und begeistert durch seine zahlreichen und verzweigten Graeten. Das Gluten mit Wolkenohren, die gruen-weiss als Yin und Yang servierte Huehnersuppe, der Mapodoufu und die shrimpgefuellten "Dampflinge" mit Biluochun-Tee sind aber lecker, wie auch die Klebreisbaellchen in Osmanthussuppe und der Sago in Kokos. Danach fallen wir gleich ins Bett und in tiefen Schlaf.

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