Jaja, ich weiß, manche/r hätte gern mehr Fotos aus Shanghai und von unterwegs gesehen ... insgesamt sind in den vergangenen dreieinhalb Jahren ca. 45.000 Stück entstanden. Aber das hat man eben nur zum Teil meiner Faulheit zu verdanken - zu einem mindestens genau so großen Teil der chinesischen Regierung mit ihrer "great firewall". Hoch lebe das freie Internet!


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Das neue Jahr des Schweins

Wenn ich es schaffe, gibt es hier übrigens auch noch Updates, und zwar aus den bisher unveröffentlichten Reisetagebuchnotizen.

Samstag, 20. März 2010

Donnerstag, 11. Maerz 2010: Xiamen - fast ein Sommertor

Um halb neun hat Han Shifu uns abgeholt (viel zu frueh, wie er fand), um viertel nach neun waren wir am Flughafen Hongqiao und um halb zehn einsteigebereit - nur unser Flug noch nicht. Das hat uns Gelegenheit gegeben, die beiden offenbar letzten Dosen mit Pina-Colada-Drops zu erwerben, die noch auf dem Shanghaier Markt aufzutreiben waren. Wir sind dann zwar puenktlich eingestiegen, aber
leider erst eine Stunde verspaetet abgeflogen, angeblich "wegen des Flugverkehrs". Der Verkehr in Hongqiao kann es aber nicht gewesen sein, da war gar nicht so viel los. Wie auch immer … um kurz nach halb zwei sind wir in Xiamen gelandet, zu deutsch (beinahe) Sommertor: so heisst die Stadt an der suedchinesischen Kueste "gegenueber von Taiwan" in der Provinz Fujian.

Der Flughafen von Xiamen faellt auf: ein Terminalgebaeude mit hochkant-achteckigen Fenstern auf jedem Fassadensegment. Die Segmente gehoeren zu drei Etagen, die jeweils gegenueber der darunterliegenden zurueckspringen und die auch unterschiedlich hoch sind. Die Gebaeudespitzen scheinen an einem darueber platzierten Balken geradezu aufgehaengt zu sein - sehr seltsam. Unsere
Fremdenfuehrerin "Jane" erklaert uns auch gleich, dass das preisgekroente Architektur eines "jianadaren", eines Kanadiers, sei. Aus den 1980er Jahren, wenn ich mich recht erinnere.

Vorher habe ich aber noch die Flughafentoiletten besucht: wow! Mit Folienschlauch-Sitzbezuegen und einem Miniaquarium auf dem Waschtisch! So nobel sind die "Etablissements" in den Shanghaier Flughaefen aber nicht!

Wir fahren gleich in die Stadt zum einzigen offiziellen Programmpunkt fuer heute: dem Nanputuo Si, der mit seinem Namen andeuten will, es handele sich hier quasi um die suedliche Ausgabe des Putuoshan. Er liegt "mit dem Ruecken" an einem Berg, an dessen Haengen ueberall dicke Granitwollsaecke (so sprechen die Geologen ueber die typischen rundlich verwitterten Granitbrocken) aus dem Wald herausgucken.. Der Tempel ist - typisch chinesisch - axial aufgebaut. Die erste Halle, eine eher offene Struktur, schuetzt die vier Himmelskoenige vor den Einfluessen des Himmels. In einer Doppelvitrine blickt ein Maitreya gut gelaunt in die Zukunft, und auf seiner Rueckseite desillusioniert Weituo, Sakyamunis "bodyguard" (so die Worte unserer Fuehrerin), mit schraeggestelltem Stab die
wandernden Bettelmoenche: nein, hier gibt es weder Kost noch Logis, der Tempel ist klein und arm und kann die Mitbrueder nicht verkoestigen. In der naechsten Halle halten drei grosse goldene Buddhas Hof. Wie in alle Hallen in diesem Tempel koennen gewoehnliche Besucher nur von draussen hineinsehen. Im naechsten Hof spenden grosse Baeume Schatten fuer die Treppe zur Halle der Barmherzigkeit. Rechts haengt ein besonders schoenes, bunt bemaltes Exemplar von "Drachenfisch". Bemerkenswert sind auch die Erlaeuterungstafeln, auf denen man nicht etwa mit
Namen, Zahlen, Fakten ueber den Tempel konfrontiert wird, sondern erklaert bekommt, wie man Buddha anbetet oder Raeucherstaebchenopfer darbringt. Na sowas?!

Die "Halle" der Barmherzigkeit ist eher ein kleiner achteckiger Pavillon, die vier Statuen von GuanYin mitsamt 1000 Haenden beherbergt. Es seien nur 40, erklaert unsere Fuehrerin, aber die haetten 25 Funktionen, so dass wir leicht auf fuenfundzwanzig mal vierzig gleich tausend kommen. - Danach fuehren weitere Stufen zum Sutra-Pavillon. Das ist ein zweigeschossiges Gebaeude mit der Dharma-Halle (das Wort passt hier besser) im Erdgeschoss. Hier lernen die Moenche aus den Schriften. Im Obergeschoss werden heilige Schriften aufbewahrt, darunter ein mit Blut geschriebenes Lotussutra, aber man kann nicht mal einen Blick hineinwerfen.

Hinter dem Sutra-Pavillon geht das Tempelgelaende in die Natur ueber. Grosse Granitbloecke bilden einen malerischen Steingarten; viele unter ihnen sind mit rot ausgepinselten Kalligraphien versehen.  Besonders bemerkenswert ist aber der groesste Charakter von Fujian: es handelt sich um ein "fo", also Buddha, und es ist mehr als 4,60 m hoch und mehr als 3,30 m breit, wurde vor ca. 400 Jahren in
den Fels geschlagen und ist nicht rot, sondern golden: ich halte das fuer eine echte Vergoldung und glaube nicht, dass man mit Goldfarbe diesen Glanz erzeugen kann. Wenn doch: super Farbe! - Oberhalb befindet sich ein "Regallager" mit dargebrachten Heiligenfiguren aller Arten und Formen, unterhalb ein sehr malerischer Teich. Ein Mini-Pavillon in der Groesse (und Form) einer Steinlaterne spendet einer Buddha-Figur Schutz und spiegelt sich im ruhigen Wasser wie der bewachsene Stein mit zwei rot ausgemalten Zeichen, von denen eins "xin", Herz, heisst. Jane hat uns im Eildurchlauf alles erklaert, dann haben wir eine Stunde Zeit, uns an allem sattzusehen. Sie hatte uns schon gleich auf der Fahrt in die Stadt befragt, ob wir denn wohl beide Buddhisten seien? Nein, wieso? Wir haetten so viele Tempel auf unserem Besichtigungsprogramm! - Na ja, typischerweise zaehlen Sakralbauten ja auch schon mal zu den Sehenswuerdigkeiten … und selbstverstaendlich gucken wir uns ja auch DIE Besonderheit der Gegend an, die runden Hakka-Haeuser. Aber davon spaeter mehr.
 
Hier fallen in der sehr schoenen Tempelanlage viele schoene Gebinde aus frischen Blumen auf. Es waere toll, wenn wir in Shanghai in angemessener Naehe einen Floristen haetten, der so etwas liefern koennte! Insgesamt wirkt alles sehr freundlich, friedlich und farbenfroh. Und anders als alle anderen Tempel, von wegen kennze-einen-kennze-alle. Vor dem Tempel herrscht reges Treiben - man muss nicht hineingehen, um Raeucherstaebchen zu opfern, das kann man gleich hier erledigen. Die Elefanten mit Ohren, die so aussehen, als haette sich der Bildhauer an einer Mischung aus Kehrblech und Entenfuss inspiriert, und die ebenfalls Wache haltenden Loewen sehen dem Gewusel unbewegt zu. Eine Etage tiefer schwimmen Goldfische und Schildkroeten im fangshengchi, dem Freilass-Becken, in dem etwas freizulassen mittlerweile verboten ist, und noch eine Etage tiefer befindet sich ein grosser Lotusteich. Gross, aber nicht tief: dem Mann in Gummihosen, der hier offenbar gaertnerische Pflegearbeiten durchfuehrt, geht das Wasser nur gerade bis zur Huefte. Rechts und links sorgen je eine Pagode fuer gutes Feng Shui. Schwaermeweise fliegen immer wieder Tauben herum, die auch gern in der Pagodenfassade landen - bestimmt ein Beweis, wie gut das Feng Shui hier ist.

In der Zwischenzeit macht Burkhard Fotos von den spektakulaeren, kraeftig lachsroten Blueten eines ansonsten noch kahlen Baumes, der mir namentlich nicht bekannt ist. Dann fahren wir ueber die kuehn geschwungene "Stadtautobahn", die aus nicht ganz nachvollziehbaren Gruenden vor der Kueste verlaeuft. Weiss gestrichene Saeulen spriessen aus dem schmalen gelben Sandstreifen und dem blaugruenen Wasser und tragen die Fahrbahn, die in weiten Boegen das Universitaetsviertel ("die schoenste Universitaet von China", hatte mir eine Kollegin gesagt) mit dem zentralen Bereich verbindet, in dem die hoechsten Hochhaeuser der Stadt stehen. Hier befindet sich auch der Faehranleger, von dem aus wir jetzt auf die Insel Gulangyu (sprich: gulang-ü) uebersetzen. Die ollen Kronleuchter auf der Warteplattform sind mit Stoffhuellen ueberzogen, ansonsten unterscheidet sich diese Faehre kaum von "unserer" Faehre ueber den Huangpu. Viel weiter ist die Fahrt auch nicht, und nach etwa fuenf Minuten "Schiffsreise" erreichen wir das nur ca. 1,9 Quadratkilometer grosse "Trommelwelleninselchen". Die Insel ist fast ganz genau wie Juist - jedenfalls autofrei. Wir sind fuer die naechsten zwei Tage im ehemaligen englischen Konsulat einquartiert, das wir nach kurzem Fuss"marsch" erreichen. Das Einchecken ist etwas langwierig, aber ansonsten ist das Haus recht liebevoll restauriert und eingerichtet. Mit huebschen Fenstern (sogar doppelverglast), die mit aquamarinfarbenen Facettenglasornamenten geschmueckt sind.

In unserem Zimmer stehen ein paar Moebel im Antiquitaetenstil, darunter ein sehr hochbeiniges Bett mit Betthimmel. Das sieht zwar nett aus, ist nur ein bisschen schmal. (Ich frage Burkhard ja deshalb auch schon gleich, wo er denn wohl schlafen wird ...  ;-)) ) Die Schraenke sind chinesisch, und in den Faechern liegen ein paar Kleiderbuegel - das ist auch chinesisch. Soll keiner sagen, dass es keine Buegel gaebe - nur gibt es eben nichts, wo man sie hinhaengen koennte. Ein modernes Schlafsofa, ein Regal mit Minibar (sogar gefuellt und nicht einmal abgeschlossen) und ein Flachbildfernseher komplettieren die Ausstattung. Das Badezimmer ist klein, aber es gibt eine Duschtrennwand aus Glas und ein Waschbecken aus einem Findling. Leider gibt es nur fliessend kaltes Wasser aus dem Wasserhahn; die Dusche ist allerdings mit einem Warmwasserbereiter versehen. Ouf!

Nachdem wir unsere Sachen verstaut haben, gehen wir gleich wieder aus. Jetzt unbetreut, was Jane ganz nervoes machen wuerde, wenn sie es wuesste. Wir koennten ja verloren gehen auf diesem Mini-Fleckchen Erde ... Wir gehen zum Strand auf der Xiamen-City zugewandten Seite, von wo aus man jetzt einen wirklich schoenen Blick auf die Skyline hat, der die Spaetnachmittagssonne warme Farbtoene und buchstaeblich Glanzlichter aufsetzt. Weiter gehen wir auch zum HaoYue-Park, der von der meterhohen Statue des Zheng Chenggong beherrscht wird. Dieser Piratensohn (der selber auch nicht viel besser war) hat im 17. Jahrhundert Taiwan fuer China erobert, weshalb man ihn heute fuer einen Helden held, aeh, haelt. Die chinesische Haelfte eines chinesisch-langnasigen Paerchens erklaert ihrem Freund, dass er bestimmt total traurig waere, dass heute Taiwan eigentlich schon wieder zurueckerobert werden muesste. Ja dann ...

Bald ist es dann schon Zeit zum Abendessen. Fisch und Meeresfruechte seien hier angesagt, aber wir koennen kein ansprechendes Restaurant finden. Alles, was ein bisschen nett aussieht, ist 'ne Kaffeebud' (scheint da total in zu sein, es gibt auch bergeweise "coffee hotels", was auch immer das genau sein mag), und alles, wo es frisches "Seefutter" gibt, sieht seeehr chinesisch aus. Aus lauter Verzweiflung wollen wir dann doch im Restaurant unseres Hotels essen (hatten sie uns beim Einchecken auch explizit angeboten), aber da es nun schon sieben Uhr ist und kein anderer Gast zu bekoestigen ist, ist die Mannschaft schon nach Hause gegangen. O je, da muessen wir ja noch mehr laufen und wieder zurueck in die Restaurantgegend! Wir entscheiden uns schliesslich fuer einen ungemuetlichen Speisesaal, in dem zumindest schon einige Tische belegt und dessen Waende mit eher guten Kalligrafien und chinesischen Malereien geschmueckt sind. Das Essen ist ganz in Ordnung, vor allem der in leichter Sojasauce gedaempfte Seefisch schmeckt wirklich gut. Und dann muss ich auch dringend ins Bett, bin ja sooo muede. Ich habe geschlafen wie ein Stein, scheint mir. 

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