Jaja, ich weiß, manche/r hätte gern mehr Fotos aus Shanghai und von unterwegs gesehen ... insgesamt sind in den vergangenen dreieinhalb Jahren ca. 45.000 Stück entstanden. Aber das hat man eben nur zum Teil meiner Faulheit zu verdanken - zu einem mindestens genau so großen Teil der chinesischen Regierung mit ihrer "great firewall". Hoch lebe das freie Internet!


Wer weiterhin meine Bemerkungen über Gott und die Welt lesen möchte, klickt bitte hier:
Das neue Jahr des Schweins

Wenn ich es schaffe, gibt es hier übrigens auch noch Updates, und zwar aus den bisher unveröffentlichten Reisetagebuchnotizen.

Montag, 29. März 2010

Komm herein, ehrenwerter Buddha!

Neues aus dem Chinesischunterricht: Burkhard berichtete, welche Schwierigkeiten der Erwerb eines kleinen Milefo, auch bekannt als Happy Buddha oder Dickbauchbuddha, bereitete. Daraufhin erklaerte uns Yang XiaoLi, dass man einen Buddha nicht einfach schnoede kauft, sondern ihn zu sich einlaedt, und auch nicht irgendeinen Buddha, sondern einen ehrenwerten. Fuer Buddhas und aehnliche Honoratioren (sowie deren Abbilder aus Bronze, Jade, Gold, Porzellan, Stein etc.) gibt es naemlich ein eigenes Zaehlwort: 尊 zūn. Das kann auch die Funktion eines Adjektivs annehmen und heisst dann so etwas wie geehrt oder fuehrend/vorrangig (engl. senior). Es kann auch als Verb mit der Bedeutung Respekt entgegenbringen oder ehren gebraucht werden. Zwar weiss ich nicht, ob das Einladen eines Buddhas im Chinesischen ein sehr gebraeuchlicher Ausdruck ist oder eher einer, der eher in abgelegenen Buchten des Sprachozeans schwimmt, aber zumindest ist das doch sehr huebsch. Ob wir wohl auch einen Buddha zu uns einladen sollten? Women qing yi zun fo ba!

Sonntag, 28. März 2010

Wird sofort erledigt!

So, ich denke, dass hier wieder einmal ein paar Gaeste zufrieden abreisen konnten. Noch sind sie in Shanghai, aber jetzt wohl (hoffentlich) schon abflugbereit am Ausgang. Heute war wunderbares Wetter. Ich habe aber wieder ein kleines bisschen nachsitzen muessen beim Kalligrafieren, und dann galt es noch, Zheng Hongs eMail zu erledigen, so dass es hinterher leider zu spaet war, um noch zum Bund zu fahren. Der ist wohl gerade eben wieder eroeffnet, und den Erzaehlungen war zu entnehmen, dass dort der Teufel oder zumindest der Baer los war. Die Bauqualitaet liesse allerdings zu wuenschen uebrig, hiess es ... alles sehe aus wie "mal rasch hingepfuscht". Na ja, kein Wunder, die haben das ja auch alles mal eben rasch hingepfuscht. Die ganz hochfliegenden (oder tiefbuddelnden) Plaene vom autofreien Bund haben sie wohl doch nicht umgesetzt, der Verkehr fliesst dort wieder ueberirdisch entlang.

Das Beste war aber unser Abschiedsessen. Wir sind recht frueh, gegen viertel vor sechs (um acht Uhr wollte Han Shifu die Gaeste zum Maglev bringen), Richtung SWFC gegangen, um dort im 100 Century Avenue in der 91sten Etage zu speisen. Auf dem Weg habe ich noch die Mauer an "unserer" Strassenkreuzung bemaengelt. "Hieran muessen die aber noch was tun!", sagte ich zu Burkhard, denn so ein leicht abgewrackter, matschhellblau gestrichener Bauzaunersatz ist doch nicht so richtig "expo-fein".

Oben angekommen, hat man uns einen Tisch am Fenster gegeben. Burkhard war zuerst etwas betreten, dass unser Tisch nicht auf der Seite mit Blick zum JinMao und zum Bund stand, sondern auf der Seite, auf der man ueber Pudong wegschauen kann. Ich fand diesen Blick aber auch sehr gut, fast besser als Bund & Co., denn die hat man ja nun schon so oft gesehen ... Als wir kamen, war es noch gerade hell, und wir konnten dann rasch die Daemmerung hereinbrechen und die Lichter angehen sehen. Super! In der Ferne war auch der China-Pavillon auf dem Expo-Gelaende auszumachen. Der wird allerdings recht schlecht beleuchtet - ich wuerde ja die markante Form mit rotem Licht so in Szene setzen, dass sie auch bei Nacht und auch aus groesserer Ferne erkennbar bleibt. - Burkhard war heute recht ungemuetlich beim Essen, musste er doch alle paar Minuten wieder ein Foto machen. Dabei gab es leckeres (aber mittlerweile ziemlich teures) Essen. Als Ausgleich fuer die Preiserhoehung sind wohl aber auch die Portionen ein bisschen groesser geworden. Ich habe zwei Vorspeisen und je drei Hauptgerichte und Beilagen (nota bene: fuer vier Personen) bestellt, und wir sind alle pappsatt geworden! Als Nachtisch musste dann noch eins der Desserts her, die angeblich fuer zwei bis drei Personen sind - sehr schoen anzusehen und recht lecker, mit Rosengeschmack und Him- und anderen Beeren.

Das Allerbeste war dann aber der Heimweg: Mittlerweile war die besagte Mauer schon weitestgehend weiss (oder jedenfalls hell, so genau war das beim trueben Strassenlaternenlicht nicht zu entscheiden), das Matschblau schon fast vollstaendig ueberstrichen. Eine ganze Brigade von Anstreichern in orangefarbenen Overalls hatte dies in den ca. anderthalb Stunden gleich erledigt. Das nenn' ich prompt!

Samstag, 27. März 2010

Ein besonderer Tag ...

... auf der Baustelle. Es ist ja nicht irgendeine Baustelle, von der ich hier spreche, sondern die Riesenbaustelle schraeg gegenueber, auf der der neue Rekord-Wolkenkratzer entstehen soll, der mit JinMao (420,5 Meter hoch) und SWFC (492 Meter) den Shanghaier Angeber-Dreiklang komplettieren soll. Der Rekord ist natuerlich relativ - man plant hier keinen Weltrekord, sondern nur einen angemessen hoeheren Bau. Es soll ja auch noch ein bisschen harmonisch aussehen, denke ich mir. Die ersten Planungen sprachen von etwa 580 Metern Hoehe, jetzt sind angeblich 632 Meter geplant. Ich habe soeben herausgefunden, dass das Bauwerk schon einen langen Wikipedia-Eintrag hat, obwohl doch noch kein Zentimeter ueber den Boden hinausragt! Laut dem Artikel wurde der Bau im November 2008 begonnen - nun, schon Anton Bruckner wusste: "Wer hohe Türme bauen will, muß lange beim Fundament verweilen." In den vergangenen knapp anderthalb Jahren wurde erst einmal Platz geschaffen im Shanghaier Schlempen-Boden, um dort ein festes Fundament errichten zu koennen, und alles gruendlich vorbereitet. Da das Gebaeude (zumindest unten) rund werden wird, erinnert mich die runde Baugrube mit ihren Etagen vor den Grubenwaenden irgendwie immer ein bisschen an die Hakka-Gebaeude.

Aber ich wollte ja berichten, dass heute ein grosser Tag ist. Wohl der Tag, an dem das "richtige" Fundament gegossen wird. Waehrend ich am Morgen noch gemuetlich im Bett lag und auf ein Schiff wartete (heute kaum Verkehr auf dem Huangpu, so dass ich laenger warten musste), kam Burkhard und wies mich auf den Stau von Betonmischfahrzeugen hin. Bis jenseits der Einmuendung zu "unserer" Faehre stand eins hinter dem anderen. Auf der Baustelle selbst hatte Burkhard 45 dieser Spezial-LKWs gezaehlt, und den ganzen Tag wird nun schon Beton gegossen. Na ja, wenn man diese LKWs neben der Baugrube sieht, sind sie auch ziemlich klein, und fuer 632 Meter Hoehe muss das Fundament wohl sehr massiv sein. Ich moechte ja zu gern wissen, wieviele da insgesamt anliefern mussten. Sicher logistisch gar nicht so einfach, das zu organisieren. Und dass es ueberhaupt sooo viele Betonmischfahrzeuge gibt (jedenfalls auf einer Stelle)!

Dienstag, 23. März 2010

Hamlet auf Chinesisch

Es wird immer besser mit der Pekingoper (s.a. den Artikel namens Jingju)! Nach dem denkbar schlechten Start in Beijing und der schon guten Vorstellung neulich hier in Shanghai war es kuerzlich am Montag (hmm ... ist jetzt schon drei Wochen her) richtig gut! Ich fuehlte mich schon wie zu Zeiten des guten alten Montagsabos … zeitig los aus dem Buero Richtung Theater (nur eben diesmal nicht Richtung Schauspielhaus Duesseldorf, sondern Richtung grosses Theater auf dem Volksplatz) und dann abendfuellend Kultur auf sich niederprasseln lassen. (Ob man das alternativ Kulturduschen nennen kann?  ;-)) ) Jedenfalls gab es eine ganz innovative Pekingoper mit dem Titel "Die Rache des Prinzen Zi Dan", und das ist nichts anderes als Hamlet auf Chinesisch. Das Innovative daran ist die Kombination des klassischen westlichen Stoffes (offenbar ist das kein klassischer chinesischer) mit der klassischen chinesischen Form.


Natuerlich haben alle Personen chinesische Namen, und die Geschichte spielt nicht etwa in Daenemark, sondern in einem mythischen (oder so) Reich. Aber sonst: schlag nach bei Shakespeare. Das war schon mal eine grosse Hilfe fuer unser Verstaendnis, zumal ich uns vorher extra noch einmal die Handlung zu Gemuete gefuehrt hatte. Zusaetzlich gab es diesmal nicht nur chinesische, sondern auch englische Untertitel (oder eigentlich Seitentitel), so dass wir gar keine Verstaendnisschwierigkeiten hatten. Die Auffuehrung fand in einem kleinen Saal des grossen Theaters statt; das Buehnenbild war, wie es sich fuer Pekingoper gehoert, ziemlich schlicht, aber professionell und wirkungsvoll; die Kostueme waren richtig gut - und wir waren am Ende vollauf zufrieden. Sicher auch, weil die Eintrittskarten mit 95 RMB pro Nase wirklich am unteren Ende der Preisskala lagen, und das fuer einen guten Platz in einer der vorderen Reihen in der Mitte! Ok, ok, die Frau neben mir hat in den ersten zwei Dritteln ununterbrochen irgendwelche Snacks gegessen, darunter Erdnuesse, und sich nach solcher Labsal im letzten Drittel zwischendurch mal mit einem Mininickerchen erquickt - aber so ist das hier eben. (Uebrigens duerfte das gar nicht so abwegig sein - traditionelle Pekingopern dauern ja schon mal gern einen ganzen Tag, und da muessen die Zuschauer natuerlich zwischendurch essen und trinken. Abwegig ist es wahrscheinlich eher, so ein Stueck in einem Theater ganz ohne Verpflegung aufzufuehren ...)


Einen ganz winzigkleinen Auszug aus dem Stueck kann man sich uebrigens hier angucken. Ausser der halben Portion von Premierminister (eine sehr unbequeme Rolle, stelle ich mir vor - man beachte die letzte Szene) sieht man hier den auf Rache sinnenden Prinzen Zi Dan alias Hamlet im Gespraech mit ihm.


Gluecklicherweise war bei dem innovativen Mix von Ost und West die Auffuehrungsdauer mehr an westliche Gepflogenheiten angelehnt. Denn Pekingoper ist immer noch Pekingoper, mit (fuer Langnasenohren) gewoehnungsbeduerftigen Geraeuschen. Es soll auch Musik dabei sein.  ;-))  Nach gut zwei Stunden waren also alle tot und wir recht dankbar dafuer. Der Rest ist Schweigen.

Sonntag, 21. März 2010

So viele Gaeste!

Zur Zeit muss Han Shifu richtig viel arbeiten: Gaeste im Buero, Gaeste zu Hause, und alle wollen dauernd von A nach B und C und wieder zurueck! Und permanente Mahlzeit ist auch angesagt. Am Donnerstagabend sollte es "Geschaeftsessen" geben, in der Einladung stand KaGen Teppanyaki - da habe ich mich schon gefreut. Sicher eine der besseren Essensoptionen. Aber der "Stargast" ist (oder hier auch: isst) bei asiatischem Essen etwas vorsichtig. Zwar meine ich, dass Teppanyaki keine Herausforderung darstellt und stets gut verdaulich ist, aber wie auch immer: kurzfristig wurde das Abendessen ins Paulaner verlegt. Logistisch ist das natuerlich sehr bequem, denn man hatte die Filiale gleich neben dem Citigroup Tower gewaehlt: einmal ueber die Strasse, und schon ist man da. Und ich muss sagen, die Geschaefte gingen offenbar gut an diesem Tag. Reichlich Leute, alles recht renao und damit voll nach chinesischem Geschmack. Fernseher, auf denen man Fussball gucken kann, Live-Musik, bei der man sich anschreien muss. Aber das Essen ... ich hatte Tschiiieees Schpatzle (dies die Lautschrift) bestellt. Das gab einen grossen Teller voll mit nicht besonders erwaehnenswerten Spaetzle, chinesischem Kaese, der die Konsistenz von geschmolzenem Emmentaler (oder was genau gehoert in Kaesespaetzle?) perfekt nachahmt, aber voellig ohne Geschmack ist, und einer laut Speisekarte Geschmack verleihenden Dekoration aus Fertigprodukt-Roestzwiebeln. O wie koestlich. Dazu ein phantasieloser gemischter Salat - och noe, lass ma'. Wahrscheinlich muss ich demnaechst mal selbst welche machen ...

Am Freitagabend gab es dann die kleine "Runde": zwei Personen. Der Gast hatte sich Steak gewuenscht, also fiel mir mal wieder Monty's ein. Das Fleisch war gut, das Essen insgesamt in Ordnung - aber auch nicht gerade herausragend. Die Live-Musik dort funktioniert dafuer aber ohne viel Verstaerkung, so dass man sich bei Gesang, Gitarre und Kónnn-trabasssss weitgehend schreifrei unterhalten kann. Schon eine Verbesserung! ---

Zu Hause lassen sich Lea (eine von Burkhards Nichten) und Lukas bereitwillig von den Shanghaier Eindruecken erschlagen. Sie sind am Donnerstag in aller Fruehe angekommen und bleiben noch bis naechsten Sonntag - da kann man schon eine ganze Menge Programmpunkte "abarbeiten". (Sie sind jetzt fleissig dabei, ich habe hingegen gleich Kalligrafiestunde.) Gestern Abend gab es die Extra-Herausforderung: zweieinviertel Stunden echte (und gute) Pekingoper - aber darueber berichte ich separat.

P.S. Ich bin zur Zeit wild entschlossen, keine weiteren Minusrekorde hinsichtlich der Anzahl neuer Blogeintraege pro Monat zu erreichen. Leider ist immer noch alles gesperrt (alles ausser Mail-in), aber dann wird eben ohne Label und Korrekturen gebloggt. Wahrscheinlich interessiert sich ausser mir sowieso niemand fuer die Labels.  ;-))  Und ein bisschen (mehr) Fehlertoleranz muss ich dann von jedem Leser und jeder Leserin erwarten!

Samstag, 20. März 2010

Donnerstag, 11. Maerz 2010: Xiamen - fast ein Sommertor

Um halb neun hat Han Shifu uns abgeholt (viel zu frueh, wie er fand), um viertel nach neun waren wir am Flughafen Hongqiao und um halb zehn einsteigebereit - nur unser Flug noch nicht. Das hat uns Gelegenheit gegeben, die beiden offenbar letzten Dosen mit Pina-Colada-Drops zu erwerben, die noch auf dem Shanghaier Markt aufzutreiben waren. Wir sind dann zwar puenktlich eingestiegen, aber
leider erst eine Stunde verspaetet abgeflogen, angeblich "wegen des Flugverkehrs". Der Verkehr in Hongqiao kann es aber nicht gewesen sein, da war gar nicht so viel los. Wie auch immer … um kurz nach halb zwei sind wir in Xiamen gelandet, zu deutsch (beinahe) Sommertor: so heisst die Stadt an der suedchinesischen Kueste "gegenueber von Taiwan" in der Provinz Fujian.

Der Flughafen von Xiamen faellt auf: ein Terminalgebaeude mit hochkant-achteckigen Fenstern auf jedem Fassadensegment. Die Segmente gehoeren zu drei Etagen, die jeweils gegenueber der darunterliegenden zurueckspringen und die auch unterschiedlich hoch sind. Die Gebaeudespitzen scheinen an einem darueber platzierten Balken geradezu aufgehaengt zu sein - sehr seltsam. Unsere
Fremdenfuehrerin "Jane" erklaert uns auch gleich, dass das preisgekroente Architektur eines "jianadaren", eines Kanadiers, sei. Aus den 1980er Jahren, wenn ich mich recht erinnere.

Vorher habe ich aber noch die Flughafentoiletten besucht: wow! Mit Folienschlauch-Sitzbezuegen und einem Miniaquarium auf dem Waschtisch! So nobel sind die "Etablissements" in den Shanghaier Flughaefen aber nicht!

Wir fahren gleich in die Stadt zum einzigen offiziellen Programmpunkt fuer heute: dem Nanputuo Si, der mit seinem Namen andeuten will, es handele sich hier quasi um die suedliche Ausgabe des Putuoshan. Er liegt "mit dem Ruecken" an einem Berg, an dessen Haengen ueberall dicke Granitwollsaecke (so sprechen die Geologen ueber die typischen rundlich verwitterten Granitbrocken) aus dem Wald herausgucken.. Der Tempel ist - typisch chinesisch - axial aufgebaut. Die erste Halle, eine eher offene Struktur, schuetzt die vier Himmelskoenige vor den Einfluessen des Himmels. In einer Doppelvitrine blickt ein Maitreya gut gelaunt in die Zukunft, und auf seiner Rueckseite desillusioniert Weituo, Sakyamunis "bodyguard" (so die Worte unserer Fuehrerin), mit schraeggestelltem Stab die
wandernden Bettelmoenche: nein, hier gibt es weder Kost noch Logis, der Tempel ist klein und arm und kann die Mitbrueder nicht verkoestigen. In der naechsten Halle halten drei grosse goldene Buddhas Hof. Wie in alle Hallen in diesem Tempel koennen gewoehnliche Besucher nur von draussen hineinsehen. Im naechsten Hof spenden grosse Baeume Schatten fuer die Treppe zur Halle der Barmherzigkeit. Rechts haengt ein besonders schoenes, bunt bemaltes Exemplar von "Drachenfisch". Bemerkenswert sind auch die Erlaeuterungstafeln, auf denen man nicht etwa mit
Namen, Zahlen, Fakten ueber den Tempel konfrontiert wird, sondern erklaert bekommt, wie man Buddha anbetet oder Raeucherstaebchenopfer darbringt. Na sowas?!

Die "Halle" der Barmherzigkeit ist eher ein kleiner achteckiger Pavillon, die vier Statuen von GuanYin mitsamt 1000 Haenden beherbergt. Es seien nur 40, erklaert unsere Fuehrerin, aber die haetten 25 Funktionen, so dass wir leicht auf fuenfundzwanzig mal vierzig gleich tausend kommen. - Danach fuehren weitere Stufen zum Sutra-Pavillon. Das ist ein zweigeschossiges Gebaeude mit der Dharma-Halle (das Wort passt hier besser) im Erdgeschoss. Hier lernen die Moenche aus den Schriften. Im Obergeschoss werden heilige Schriften aufbewahrt, darunter ein mit Blut geschriebenes Lotussutra, aber man kann nicht mal einen Blick hineinwerfen.

Hinter dem Sutra-Pavillon geht das Tempelgelaende in die Natur ueber. Grosse Granitbloecke bilden einen malerischen Steingarten; viele unter ihnen sind mit rot ausgepinselten Kalligraphien versehen.  Besonders bemerkenswert ist aber der groesste Charakter von Fujian: es handelt sich um ein "fo", also Buddha, und es ist mehr als 4,60 m hoch und mehr als 3,30 m breit, wurde vor ca. 400 Jahren in
den Fels geschlagen und ist nicht rot, sondern golden: ich halte das fuer eine echte Vergoldung und glaube nicht, dass man mit Goldfarbe diesen Glanz erzeugen kann. Wenn doch: super Farbe! - Oberhalb befindet sich ein "Regallager" mit dargebrachten Heiligenfiguren aller Arten und Formen, unterhalb ein sehr malerischer Teich. Ein Mini-Pavillon in der Groesse (und Form) einer Steinlaterne spendet einer Buddha-Figur Schutz und spiegelt sich im ruhigen Wasser wie der bewachsene Stein mit zwei rot ausgemalten Zeichen, von denen eins "xin", Herz, heisst. Jane hat uns im Eildurchlauf alles erklaert, dann haben wir eine Stunde Zeit, uns an allem sattzusehen. Sie hatte uns schon gleich auf der Fahrt in die Stadt befragt, ob wir denn wohl beide Buddhisten seien? Nein, wieso? Wir haetten so viele Tempel auf unserem Besichtigungsprogramm! - Na ja, typischerweise zaehlen Sakralbauten ja auch schon mal zu den Sehenswuerdigkeiten … und selbstverstaendlich gucken wir uns ja auch DIE Besonderheit der Gegend an, die runden Hakka-Haeuser. Aber davon spaeter mehr.
 
Hier fallen in der sehr schoenen Tempelanlage viele schoene Gebinde aus frischen Blumen auf. Es waere toll, wenn wir in Shanghai in angemessener Naehe einen Floristen haetten, der so etwas liefern koennte! Insgesamt wirkt alles sehr freundlich, friedlich und farbenfroh. Und anders als alle anderen Tempel, von wegen kennze-einen-kennze-alle. Vor dem Tempel herrscht reges Treiben - man muss nicht hineingehen, um Raeucherstaebchen zu opfern, das kann man gleich hier erledigen. Die Elefanten mit Ohren, die so aussehen, als haette sich der Bildhauer an einer Mischung aus Kehrblech und Entenfuss inspiriert, und die ebenfalls Wache haltenden Loewen sehen dem Gewusel unbewegt zu. Eine Etage tiefer schwimmen Goldfische und Schildkroeten im fangshengchi, dem Freilass-Becken, in dem etwas freizulassen mittlerweile verboten ist, und noch eine Etage tiefer befindet sich ein grosser Lotusteich. Gross, aber nicht tief: dem Mann in Gummihosen, der hier offenbar gaertnerische Pflegearbeiten durchfuehrt, geht das Wasser nur gerade bis zur Huefte. Rechts und links sorgen je eine Pagode fuer gutes Feng Shui. Schwaermeweise fliegen immer wieder Tauben herum, die auch gern in der Pagodenfassade landen - bestimmt ein Beweis, wie gut das Feng Shui hier ist.

In der Zwischenzeit macht Burkhard Fotos von den spektakulaeren, kraeftig lachsroten Blueten eines ansonsten noch kahlen Baumes, der mir namentlich nicht bekannt ist. Dann fahren wir ueber die kuehn geschwungene "Stadtautobahn", die aus nicht ganz nachvollziehbaren Gruenden vor der Kueste verlaeuft. Weiss gestrichene Saeulen spriessen aus dem schmalen gelben Sandstreifen und dem blaugruenen Wasser und tragen die Fahrbahn, die in weiten Boegen das Universitaetsviertel ("die schoenste Universitaet von China", hatte mir eine Kollegin gesagt) mit dem zentralen Bereich verbindet, in dem die hoechsten Hochhaeuser der Stadt stehen. Hier befindet sich auch der Faehranleger, von dem aus wir jetzt auf die Insel Gulangyu (sprich: gulang-ü) uebersetzen. Die ollen Kronleuchter auf der Warteplattform sind mit Stoffhuellen ueberzogen, ansonsten unterscheidet sich diese Faehre kaum von "unserer" Faehre ueber den Huangpu. Viel weiter ist die Fahrt auch nicht, und nach etwa fuenf Minuten "Schiffsreise" erreichen wir das nur ca. 1,9 Quadratkilometer grosse "Trommelwelleninselchen". Die Insel ist fast ganz genau wie Juist - jedenfalls autofrei. Wir sind fuer die naechsten zwei Tage im ehemaligen englischen Konsulat einquartiert, das wir nach kurzem Fuss"marsch" erreichen. Das Einchecken ist etwas langwierig, aber ansonsten ist das Haus recht liebevoll restauriert und eingerichtet. Mit huebschen Fenstern (sogar doppelverglast), die mit aquamarinfarbenen Facettenglasornamenten geschmueckt sind.

In unserem Zimmer stehen ein paar Moebel im Antiquitaetenstil, darunter ein sehr hochbeiniges Bett mit Betthimmel. Das sieht zwar nett aus, ist nur ein bisschen schmal. (Ich frage Burkhard ja deshalb auch schon gleich, wo er denn wohl schlafen wird ...  ;-)) ) Die Schraenke sind chinesisch, und in den Faechern liegen ein paar Kleiderbuegel - das ist auch chinesisch. Soll keiner sagen, dass es keine Buegel gaebe - nur gibt es eben nichts, wo man sie hinhaengen koennte. Ein modernes Schlafsofa, ein Regal mit Minibar (sogar gefuellt und nicht einmal abgeschlossen) und ein Flachbildfernseher komplettieren die Ausstattung. Das Badezimmer ist klein, aber es gibt eine Duschtrennwand aus Glas und ein Waschbecken aus einem Findling. Leider gibt es nur fliessend kaltes Wasser aus dem Wasserhahn; die Dusche ist allerdings mit einem Warmwasserbereiter versehen. Ouf!

Nachdem wir unsere Sachen verstaut haben, gehen wir gleich wieder aus. Jetzt unbetreut, was Jane ganz nervoes machen wuerde, wenn sie es wuesste. Wir koennten ja verloren gehen auf diesem Mini-Fleckchen Erde ... Wir gehen zum Strand auf der Xiamen-City zugewandten Seite, von wo aus man jetzt einen wirklich schoenen Blick auf die Skyline hat, der die Spaetnachmittagssonne warme Farbtoene und buchstaeblich Glanzlichter aufsetzt. Weiter gehen wir auch zum HaoYue-Park, der von der meterhohen Statue des Zheng Chenggong beherrscht wird. Dieser Piratensohn (der selber auch nicht viel besser war) hat im 17. Jahrhundert Taiwan fuer China erobert, weshalb man ihn heute fuer einen Helden held, aeh, haelt. Die chinesische Haelfte eines chinesisch-langnasigen Paerchens erklaert ihrem Freund, dass er bestimmt total traurig waere, dass heute Taiwan eigentlich schon wieder zurueckerobert werden muesste. Ja dann ...

Bald ist es dann schon Zeit zum Abendessen. Fisch und Meeresfruechte seien hier angesagt, aber wir koennen kein ansprechendes Restaurant finden. Alles, was ein bisschen nett aussieht, ist 'ne Kaffeebud' (scheint da total in zu sein, es gibt auch bergeweise "coffee hotels", was auch immer das genau sein mag), und alles, wo es frisches "Seefutter" gibt, sieht seeehr chinesisch aus. Aus lauter Verzweiflung wollen wir dann doch im Restaurant unseres Hotels essen (hatten sie uns beim Einchecken auch explizit angeboten), aber da es nun schon sieben Uhr ist und kein anderer Gast zu bekoestigen ist, ist die Mannschaft schon nach Hause gegangen. O je, da muessen wir ja noch mehr laufen und wieder zurueck in die Restaurantgegend! Wir entscheiden uns schliesslich fuer einen ungemuetlichen Speisesaal, in dem zumindest schon einige Tische belegt und dessen Waende mit eher guten Kalligrafien und chinesischen Malereien geschmueckt sind. Das Essen ist ganz in Ordnung, vor allem der in leichter Sojasauce gedaempfte Seefisch schmeckt wirklich gut. Und dann muss ich auch dringend ins Bett, bin ja sooo muede. Ich habe geschlafen wie ein Stein, scheint mir.